MITTELSTANDSVERBUND warnt: Mit der Novelle der Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV) droht erneute Überregulierung ohne Mehrwert

Die geplante Novelle der Gewerbeabfallverordnung zielt darauf ab, die Abfalltrennung und das Recycling zu optimieren, um wertvolle Rohstoffe zurückzugewinnen und die Umweltbelastung zu minimieren. DER MITTELSTANDSVERBUND begrüßt grundsätzlich diesen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Recyclings und zur Förderung einer nachhaltigen Abfallwirtschaft, sieht in dem vorliegenden „Referentenentwurf zur Ersten Verordnung zur Änderung der Gewerbeabfallverordnung“ allerdings eine klare „Überbürokratisierung“ bestehender Regelungen und appelliert deutlich, zunächst die aktuell geltenden Zielmarken realistisch mit Maßnahmen zu unterlegen, anstatt durch neue Vorgaben die erfolgreiche Umsetzung weiter zu erschweren.

Berlin, 21. Mai 2024 –  Ziel der rechtlichen Grundlagen ist es, einen steigenden Anteil von Gewerbeabfällen der stofflichen Verwertung zuzuführen und somit Ressourcen zu sparen. Aus Sicht mittelständischer Unternehmen bringt die Novelle allerdings erhebliche Herausforderungen mit sich. Besonders die gestiegenen bürokratischen Anforderungen und die damit verbundenen Kosten werden für viele Unternehmen zu einer signifikanten Mehrbelastung führen. Eine sorgfältige Abwägung zwischen ökologischen Zielen und wirtschaftlicher Tragfähigkeit ist daher unerlässlich.

Grundsätzliches

Der Fachkräftemangel ist in Deutschland allgegenwärtig und stellt insbesondere mittelständische Unternehmen vor enorme Herausforderungen. Diese Problematik wird durch die zunehmenden Bürokratielasten und erweiterten Dokumentationspflichten zusätzlich verschärft, wodurch wertvolle personelle Ressourcen gebunden werden. Die Themenvielfalt, mit der sich Unternehmen konfrontiert sehen, nimmt nicht nur zu, sondern wird auch immer komplexer und entfernt sich zunehmend von der Praxis.

Ein prägnantes Beispiel hierfür ist die vorliegende Novelle der Gewerbeabfallverordnung, deren aktuelle Umsetzung die gesetzten Zielvorgaben nicht erreicht, sondern im Gegenteil deutlich verfehlt, Aufgaben, die bislang von den Vollzugsbehörden wahrgenommen wurden oder eben auch nicht, zukünftig auf Unternehmen auszulagern. Dies führt bei den betroffenen Wirtschaftszweigen unweigerlich zu zusätzlichen Kosten und einem nicht stemmbaren Mehraufwand für die betroffenen Betriebe (beispielsweise durch eine spontan notwendig werdende Freistellung von Mitarbeitenden für diese neue Aufgabe). Eine solche Vorgehensweise führt zwangsläufig erneut zu einem Nicht-Erreichen der aufgerufenen Zielmarken und kommt im Prinzip einer Lähmung der Wirtschaft und einer deutlichen Gefährdung des Wirtschaftsstandortes Deutschland gleich. Rückmeldungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) aus verschiedenen Branchen stützen unsere "Pain Points" vollumfänglich.

Notwendig wird ein pragmatischer und leistbarer Ansatz, der im Schulterschluss von Wirtschaft, Entsorgungsbranche und Behörden einen gangbaren Weg findet, dabei alle Beteiligten bestmöglich entlastet und die gesteckten Ziele realisierbar macht.

Die aktuell vorliegende Novelle der Gewerbeabfallverordnung führt zu folgendem Schluss:

  • Es wird mehr Bürokratie geben.
  • Es wird mehr Aufwand auf mittelständische Unternehmen zukommen.
  • Es wird kein Gramm mehr recycelt werden.

Die verschärften Dokumentations- und Nachweispflichten sowie die komplexen Regelungen zur getrennten Sammlung und Vorbehandlung der Abfälle bedeuten mehr Aufwand und höhere Kosten für die betroffenen Unternehmen, ohne dass eine signifikante Steigerung der Recyclingquote garantiert ist.

Konkreter Teil

§ 3 Getrennte Sammlung, Vorbereitung zur Wiederverwendung und Recycling von gewerblichen Siedlungsabfällen

  • 3(3) 3.  Wir sprechen uns gegen Formularvordrucke von Amtswegen aus.

Für diesen zusätzlichen bürokratischen Aufwand gibt es keine Notwendigkeit. Entsorgungsunternehmen versorgen standardisiert die eigenen Kunden mit einem entsprechenden Dokumentationsvordruck, diese sind in Auftragsportalen elektronisch hinterlegt. Somit reicht die alte Regelung vollkommen aus und eine Neujustierung ist nicht erforderlich.

  • § 3a neu

Die Ermittlung von Erzeugern gewerblicher Abfälle wird in der offenen Formulierung des vorgeschlagenen § 3a neu zu erheblichen Mehrbelastungen für die Betriebe führen. Im Sinne einer effizienten und vernetzten Verwaltung sollte den zuständigen Behörden mit dem Auftrag der Erstellung von Listen sowie den entsprechenden Kontrollen aufgegeben werden, dass die Erstellung der Listen auf der Grundlage von bereits vorhandenen Unternehmensdaten bei den jeweiligen Finanzämtern, IHKs und HWKs erfolgen sollte. Nur so würden zusätzliche Prozesse in Form von Abfragen aufseiten der Behörden und weitere Prozesse aufseiten der Betriebe vermieden. Weiterhin ist das Argument der vereinfachten Kontrolle in diesem Kontext nicht nachvollziehbar, da auf Grund der Regelung nicht mehr oder besser kontrolliert werden wird, zumal die Behörde keinerlei Sanktionen befürchten muss, wenn sie diese nicht durchführt.

§ 4 Vorbehandlung von gewerblichen Siedlungsabfällen

  • § 4(3)

Der Wegfall der Getrenntsammelquote wird begrüßt, da dies eine pragmatische Erleichterung darstellt.

  • § 4(5) Sachverständigenregelung

Diese Regelung sehen wir kritisch und stufen diese als nicht gerechtfertigt und wenig zielführend ein.

Im Fall des Verdachtes von Unstimmigkeiten besteht zukünftig für Betroffene die Pflicht, auf eigene Kosten einen Sachverständigen zu beauftragen, der seinen Prüfbericht der Behörde vorlegt. Da diese Forderung sowohl an Erzeuger als auch an Besitzer gerichtet ist, stellt sich die Frage, wen die Behörde letztendlich adressiert, den Erzeuger oder den Besitzer (Entsorger). Zumal die Fehlersuche erst dann beginnt, wenn der Abfall auf dem Hof des Entsorgers liegt. Unserer Auffassung nach lenkt diese neue Pflicht für Unternehmen vom eigentlichen Thema des fehlenden Vollzuges der dafür bestellten Behörden ab. Dieser wird nun ausgelagert und in die Hände von Unternehmen gegeben, die in einem solchen Fall einen Sachverständigen bemühen müssen, der auf Kosten des Betroffenen das Fehlverhalten der eigenen Kunden aufdecken soll.

§ 6 Anforderungen an Vorbehandlungsanlagen

  • § 6(1)

Anlage 3

Die Vorgaben der Anlage 3 schießen unserem Verständnis nach weit über das Ziel hinaus und verteuern die Vorbehandlung unnötig. Ob die Recyclingquote dadurch deutlich gesteigert werden kann, ist zudem fraglich. Die weitergehenden Vorgaben sind nicht der richtige Ansatz, denn dadurch werden Innovationen behindert statt gefördert.

Wir schlagen die Unterscheidung zwischen hochwertiger energetischer Verwertung und Verbrennung in einer Müllverbrennungsanlage (MVA) vor unter Einbezug einer dafür eigenen Quote und/oder einer Anpassung der Recyclingquote (ggf. auch auf 60 Prozent). So wird die stoffliche Verwertungsquote nicht angetastet, aber mit einer realistischen Zielmarke verknüpft. Die übliche Praxis der Baggersortierung als Vorbehandlung wird somit uninteressant, da diese keine Brennstofferzeugung erlaubt und das Material direkt in die Vorbehandlung übergeht. Durch die deutlich bessere Auslastung der Anlagen und die bessere apparative Ausstattung könnte auch das präferierte Ziel einer erhöhten Recyclingmenge erreicht werden.

Einschränkung auf zwei Kaskadenstufen ist nicht notwendig.

In Anbetracht des apparativen Aufwandes in Anlage 3 kann es sinnvoller sein, trotz komplexer Herausforderungen, einzelne Stoffströme in Sammelfraktionen aufzukonzentrieren und im nächsten Schritt weiter nachzubehandeln. Dies geht nur in spezialisierten Anlagen, von daher wäre die geplante Vorgabe zu kurz gesprungen, da bestimmte Wertschöpfungsketten erhaltenswert sind und nicht von Gesetzeswegen auf Grund eines zu hohen Komplexitätsgrades nicht mehr erfasst werden.

  • § 6(1) 2.

Auch hier gilt, wenn Aggregate nur herausgenommen werden dürfen, wenn die Recyclingquote (§ 6(5)) eingehalten wird, dann steuert man auf einen potenziell entstehenden Flaschenhals am Vorbehandler-Markt zu.

Hintergrund: Die Recyclingquote hängt in erster Linie vom Input und dem Verwertungsmarkt ab und hat nur sehr bedingt etwas mit den eingesetzten Aggregaten zu tun. Eine mögliche Konsequenz der neuen Regelung könnte sein, dass Vorbehandler Materialien gar nicht erst annehmen, da sie die Quote nicht einhalten können.

§ 8 Getrennte Sammlung, Vorbereitung zur Wiederverwendung und Recycling von bestimmten Bau- und Abbruchabfällen

  • § 8(1)

Die Anzahl von zehn getrennt zu sammelnde Fraktionen soll um weitere fünf Unterteilungen erhöht werden. Es ist wichtig, an der bestehenden Umsetzung stringent weiterzuarbeiten, ohne die Anforderungen zusätzlich zu erhöhen. 

§ 13 Register über Vorbehandlungsanlagen

  • § 13 (neu)

Diese Regelung lehnen wir ab, da sie einen hohen Ressourceneinsatz erfordert, der vom eigentlichen Problem des fehlenden Vollzuges ablenkt. Die Kataster müssten aufwendig aktuell gehalten werden und kontinuierlich auf Aktualität überprüft werden.

Fazit

Insgesamt zeigt sich, dass die Novelle zwar in die richtige Richtung weist, jedoch in ihrer aktuellen Form zahlreiche praktische Herausforderungen und Unklarheiten für alle betroffenen Akteure mit sich bringt. Eine Überarbeitung und Anpassung der Regelungen ist daher dringend geboten, um eine wirklich nachhaltige und wirtschaftlich tragfähige Zielerreichung im Schulterschluss aller Akteure sicherstellen zu können.

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Ansprechpartner

Dr. Sabine Schäfer DER MITTELSTANDSVERBUND
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