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BAG zu Annahmeverzugslohn nach Änderungskündigung - Anrechnung unterlassenen Zwischenerwerbs

Das Bundesarbeitsgericht hat sichmit dem Rückzahlungsanspruch von Annahmeverzugslohn und mit der Annahmeobliegenheit einer dem Arbeitnehmer zumutbaren Arbeit nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG im Rahmen einer Änderungskündigung befasst.

MitUrteil vom 26. September 2007 - 5 AZR 870/06 hat sich das Bundesarbeitsgericht mit dem Rückzahlungsanspruch von Annahmeverzugslohn und mit der Annahmeobliegenheit einer dem Arbeitnehmer zumutbaren Arbeit nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG befasst und dessen Anwendbarkeit auch im Falle eines Vertragsangebotes im Rahmen einer Änderungskündigung erklärt.

Leitsätze des Gerichts:

1. Der Arbeitnehmer kann die Annahme einer zumutbaren Arbeit allein dadurch böswillig unterlassen (§ 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG), dass er ein im Zusammenhang mit einer Kündigung erklärtes Änderungsangebot nicht nach § 2 KSchG unter Vorbehalt annimmt.

2. Erklärt der Arbeitgeber anschließend eine Beendigungskündigung, ohne die auf der Änderungskündigung beruhende Arbeitsmöglichkeit weiter anzubieten, endet das böswillige Unterlassen mit Ablauf der Kündigungsfrist.

I. Sachverhalt

Die Beteiligten streiten insbesondere über die Zahlung von Arbeitsvergütung, die die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs geleistet hat. Der Kläger leitete seit dem 1. Januar 1998 die Spielbank B der Beklagten, in der das sog. "Große Spiel" (Roulette) und das Automatenspiel betrieben wurde. Im März 1999 entschied die Beklagte, dass sog. "Große Spiel" in B zu schließen. Das Automatenspiel sollte in B verbleiben. Mit Schreiben vom 21. August 2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2001 und bot dem Kläger zugleich ab dem 1. Januar 2002 die Stelle des Leiters der Automatenspielbank in B an. Mit diesem Änderungsangebot war eine jährliche Gehaltsabsenkung von zuvor ca. 134.000 DM auf nunmehr 78.000 DM verbunden. Der Kläger lehnte das Änderungsangebot ab und erhob Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten nicht zum 31. Dezember 2001 aufgelöst worden war.

Die Beklagte sprach am 13. und 14. November 2002 ordentliche Kündigungen zum 31. Dezember 2002 aus und erklärte, der Kläger könne nicht weiterbeschäftigt werden. Mit Schriftsatz vom 27. Januar 2004 erklärte die Beklagte, sie leite aus diesen Kündigungen keine Rechte mehr her und erbrachte Vergütungsnachzahlungen für die Zeit seit Juni 2002. Eine Arbeitsaufforderung seitens der Beklagten erfolgte erst aufgrund eines Schreibens vom 22. September 2004 zum 1. Oktober 2004. Am 9. Dezember 2004 nahm der Kläger die Arbeit wieder auf. Mit seiner Klage begehrte der Kläger Vergütungsnachzahlung, Schadensersatz und Urlaubsgewährung. Die Beklagte hat Widerklage auf Rückzahlung der geleisteten Nettoarbeitsvergütung für die Zeit vom 10. Dezember 2001 bis zum 8. Dezember 2004 erhoben. Sie trug vor, der Kläger müsse sich auf die erbrachten Gehaltsleistungen das Gehalt eines Leiters der Automatenspielbank B anrechnen lassen, da ihm eine derartige Tätigkeit angeboten worden sei.

II. Entscheidungsgründe

1. Anrechnung böswillig unterlassenen Verdienstes

Das BAG hat die Revision hinsichtlich der Klage als unzulässig zurückgewiesen. Hinsichtlich der Widerklage hat es die Revision für zulässig und begründet erachtet, das angefochtene Urteil aufgehoben und unter anderem zur Klärung der Höhe des Rückzahlungsanspruches an das LAG zurückverwiesen.

Das BAG hat entschieden, dass ein Rückzahlungsanspruch der geleisteten Nettoarbeitsvergütung der Beklagten aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB besteht. Für die Zeit vom 24. Juni bis zum 31. Dezember 2002 müsste sich der Beklagte nach § 11 Satz Nr. 2 KSchG den Verdienst anrechnen lassen, dessen Erwerb er durch Ausschlagen des Änderungsangebots böswillig unterlassen hat. Die Beklagte befand sich aufgrund der unwirksamen Kündigung vom 21. August 2001 in Annahmeverzug. Allerdings habe die Beklagte das Gehalt in der Höhe des hypothetischen Gehalts eines Leiters der Automatenspielbank ohne Rechtsgrund geleistet. Denn der Kläger habe die Möglichkeit eines entsprechenden Erwerbs böswillig ausgeschlagen. Diesen Verdienst müsse er sich nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG anrechnen lassen.

Das BAG erklärte, dass ein böswilliges Unterlassen nicht allein deshalb ausscheide, weil der Beklagte ein Vertragsangebot und kein Arbeitsangebot gemacht habe. Auch das in Verbindung mit einer Änderungskündigung erklärte Angebot könne die Obliegenheit zur Annahme einer zumutbaren Arbeit auslösen. Denn der Arbeitnehmer könne das Angebot unter Vorbehalt des § 2 KSchG annehmen mit der Folge des § 8 KSchG bei Obsiegen. Lehne der Arbeitnehmer das Angebot ab, bedürfe es keines neuen, auf eine sog. Prozessbeschäftigung gerichteten Angebots. Der Arbeitnehmer handele vielmehr auf eigenes Risiko, wenn er die Möglichkeit des § 2 KSchG nicht wahrnehme und sich später herausstelle, dass die angebotene Arbeit zumutbar war. Gerade der Regelfall der Arbeit bei einem anderen Arbeitgeber zeige, dass § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG, § 615 Satz 2 BGB eben nicht nur die Prozeßbeschäftigung beträfen. Denn diese Beschäftigung finde notwendigerweise auf einer vertraglichen Grundlage statt und binde den Arbeitnehmer bis auf Weiteres.

2. Zumutbarkeit des Änderungsangebots

Das Änderungsangebot sei nicht auf eine unzumutbare Beschäftigung gerichtet gewesen, da es sich bei der von der Beklagten angebotenen Tätigkeit insbesondere nicht um eine gänzlich andere Arbeit gehandelt habe. Im Zuge der Umstrukturierungen bei der Beklagten sei die Übernahme von Aufsichts- und Kassierertätigkeiten nach dem Maßstab des § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG nicht unzumutbar gewesen, denn ein Teil der Leitungstätigkeit sei erhalten geblieben. Auch habe sich der Kläger auf die Gehaltsabsenkung in der konkreten Situation einlassen müssen, da es sich bei dem angebotenen Gehalt um das Tarifgehalt für die vorgesehene Tätigkeit gehandelt habe.

3. Rechtsgrund für die Gehaltszahlung im Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 30. September 2004

Nach Auffassung des BAG besteht dagegen für diesen Zeitraum kein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Vergütung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, denn die Beklagte habe nicht ohne Rechtsgrund geleistet. Die Beklagte habe sich aufgrund der unwirksamen bzw. später "zurückgenommenen" Kündigungen unstreitig im Annahmeverzug befunden. Rechtsgrund der Zahlungen seien deshalb die §§ 611 Abs. 1, 615 Satz 1 BGB. Auch eine Anrechnung nach § 11 Satz 1 Nr. 1 KSchG und § 615 Satz 2 BGB scheide aus, da die Beklagte dem Kläger kein Beschäftigungsangebot für den genannten Zeitraum gemacht habe. Mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2002 habe sie ausdrücklich erklärt, der Kläger könne nicht weiterbeschäftigt werden. Die mit dem Arbeitsangebot verbundene Änderungskündigung vom 21. August 2001 sei damit überholt gewesen. Der Kläger habe demnach ab dem 1. Januar 2003 nicht mehr böswillig unterlassen, anderweitig zu arbeiten.

III. Bewertung / Folgen der Entscheidung

Zu Recht hat das BAG die Ablehnung des Angebots einer Vertragsänderung, das sich später als zumutbar herausstellt, in die Risikosphäre des Arbeitnehmers eingeordnet. Der Arbeitnehmer ist durch die Möglichkeit der Annahme unter Vorbehalt nach § 2 KSchG ausreichend geschützt. Zuzustimmen ist dem BAG auch darin, dass eine konkrete Gehaltsabsenkung die Annahme eines Angebots nicht schon allein unzumutbar macht. Vielmehr muss eine Betrachtung aller Umstände erfolgen, die das Änderungsangebot kennzeichnen. Dabei ist richtigerweise eine stubstantiierte Darlegung der Unzumutbarkeit durch den Arbeitnehmer zu fordern.

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