Homestory: ESG – Bester Service für den Messe- und Eventbau: Nachhaltigkeit erfolgreich kommunizieren
In unserer Reihe „Homestorys“ werfen wir einen Blick hinter die Kulissen des Klimaverbunds. Heute begleiten wir Silke Schulte, Klimaprofi und Geschäftsführerin der ESG Einkaufs- und Servicegesellschaft mbH bei ihrem Termin mit einem Messebauunternehmen bei Hannover. Im Gespräch mit der Geschäftsführung von GO Exhibitions wird deutlich, was alles möglich ist, wenn eine Kreativbranche sich ihren hohen Ansprüchen an Nachhaltigkeit und Klimaschutz stellt.
Hannover, 10.11.2021 – In der Reihe „Homestorys“ stellen wir ausgewählte Betriebe vor, die das Angebot einer Klimaprofi-Beratung angenommen haben und berichten von ihren Erfahrungen. Einige Unternehmen haben bereits Pionierarbeit geleistet, andere stehen noch am Anfang. Das Projekt Klimaverbund wird gefördert von der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) des Bundesumweltministeriums (BMU).
Alle, die beruflich die letzten gut anderthalb Jahre viel Zeit in Videokonferenzen verbracht haben, sind sich in einer Sache vermutlich einig: Man hat den Wert von persönlichen Kontakten im Geschäftsleben zu schätzen gelernt. Die Messe- und Veranstaltungsbranche lebt davon, den Raum für diese Zusammenkünfte zu gestalten. Wo und wie treffen wir mit Menschen zusammen, um miteinander ins Geschäft zu kommen? Wie präsentieren wir unser Produkt oder unsere Dienstleistung? Wie lässt sich herausfinden, ob die Chemie zwischen zwei Geschäftspartnern stimmt? Das Internet ist bekannt dafür, dass man stets findet, was man sucht. Wer dagegen in eine Messe eintaucht, trifft auf Menschen, Produkte oder Lösungen, von denen man zuweilen nicht einmal geahnt hatte, dass sie existieren.
Im Projekt Klimaverbund haben sich Vertreter verschiedenster Verbundgruppen vernetzt, um mit gesammelter Expertise die gemeinsamen Ziele Klimaschutz und Ressourceneffizienz voranzutreiben. Eine der 15 Verbundgruppen ist die ESG, eine Einkaufskooperation für Messe- und Eventbau. Geschäftsführerin ist Silke Schulte. Ihr tägliches Geschäft besteht darin, ihre einkaufenden Partner – also Messebauunternehmen und Eventagenturen – mit den passenden Lieferanten zusammenzubringen. Als sie erfahren hat, dass der MITTELSTANDSVERBUND das Qualifizierungsprogramm „Klimaprofi“ ins Leben gerufen hat, war sie sofort begeistert. Silke Schulte hat den Posten des Klimaprofis zur Chefsache gemacht – und das Qualifizierungsprogramm selbst durchlaufen.
„Schon seit vielen Jahren ist Nachhaltigkeit mein Thema. Für den Messebau heißt das unter anderem: Wir sind auf der Suche nach einem nachhaltigeren Umgang mit hochwertigen Materialien“, so die diplomierte Verbandsmanagerin. „Was mich am Klimaverbund gereizt hat, ist, dass ich hier die Chance habe, mich mit anderen Verbundgruppen zu dem Thema zu vernetzen.“ Die Branchenvielfalt im Klimaverbund ist in der Tat groß: Zu den Projektteilnehmern gehören u.a. Dachdeckerbetriebe, Elektronikfachmärkte, Autoreifenhändler und der Lebensmitteleinzelhandel, die alle im direkten Aus- tausch miteinander stehen. Einige verfügen bereits über langjährige Expertise im Bereich Photovoltaik, in der Errichtung von Green Buildings oder im Einsatz von Mehrwegverpackungssystemen. „Bei den moderierten Jours Fixes werde ich von der Projektleitung ständig auf dem Laufenden gehalten. Hier kann ich mich austauschen, mein Wissen erweitern – und natürlich mein Wissen auch teilen und abgeben. Denn es nützt ja nichts, wenn es nur in meinem Kopf ist“, erklärt Silke Schulte lachend und man glaubt ihr sofort, dass sie mit ihrem Know-how nicht geizt.
Der Klimaverbund ist als Multiplikatoren-Projekt angelegt. Es geht darum, kleine und mittlere Unternehmen für einen effizienten Umgang mit Energie und Ressourcen zu sensibilisieren, Verschwendung zu vermeiden, Abfall zu reduzieren, CO2 und Kosten zu sparen und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit zu sichern. Gefördert wird das Projekt von der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima (BMWK).
DER KLIMAPROFI ALS NETZWERK-PROFI
Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde, auch im Messebau. In ihrer Rolle als „Multiplikatorin“ hat sich Silke Schulte jedoch mehr vorgenommen: Sie will dafür sorgen, dass ihre Partner auch in der Lage sind, den Nachhaltigkeitsgedanken in die Praxis umzusetzen. Die einkaufenden Unternehmen sollen bei der ESG Einkaufs- und Servicegesellschaft die Lieferanten finden, die den nachhaltigen Bedarf bedienen können. „Schon 2018 war unser Ziel, unseren Partnern in jeder Kategorie mindestens einen Lieferanten anbieten zu können, der unseren Nachhaltigkeits-Check durchlaufen hat.“ Also je einen Anbieter für Kategorien wie Bodenbelag, Holz, Textil, Lichttechnik, aber auch Dienstleister wie nachhaltig agierende Autovermietungen, Logistik- oder Cateringunternehmen. Dieses Angebot möchte Silke Schulte jetzt ausweiten. „Mit dem Know-how, das ich mit der Ausbildung zum Klimaprofi erworben habe, bin ich in jetzt der Lage, meine Lieferanten und meine Mitarbeiter mitzunehmen, sie dazu motivieren, nachhaltiger zu agieren und zu zeigen, was sie können.“
„Nachhaltigkeit geht weit über das Thema Materialitäten hinaus“, so Schulte. Um als Einkaufsgesellschaft ihrer Verantwortung gerecht zu werden, hat man im Leitbild der ESG festgeschrieben, sich hohen ökologischen, ökonomischen und sozialen Ansprüchen zu stellen. Dazu gehört auch, die Lieferkette in den Blick zu nehmen: „Um sich wirklich als nachhaltig bezeichnen zu können, muss man über das eigene Handeln hinausschauen und auch an die Vorlieferanten die eigenen Maßstäbe anlegen“. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, hat der Klimaverbund eine Studie in Auftrag gegeben, um auch die Vorkettenemissionen beurteilen zu können.
Heute ist Silke Schulte in ihrer Doppelrolle als Klimaprofi und ESG-Geschäftsführerin zu Besuch bei einem Messebauunternehmen bei Hannover. GO Exhibitions wurde 2006 von Yasmin Nicole Besli und Oguzhan Sengül gegründet. Anfang November 2021 haben sie mit ihren 21 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern neue Räumlichkeiten bezogen. Am neuen Standort haben sie jetzt insgesamt 6.000 m2 zur Verfügung, davon 500 m2 Büroflächen und ausreichend Platz für die Holz- und Metallwerkstatt.
Beim heutigen Termin mit den beiden Geschäftsführern geht es Silke Schulte vor allem um das Thema Ressourceneffizienz. „Bleibenden Eindruck beim Qualifizierungsprogramm Klimaprofi hat bei mir der Schulungstag Abfallmanagement hinterlassen, vor allem der Vortrag der Geschäftsführerin vom Bergischen Abfallwirtschaftsverband“, so Schulte. Wer einmal Frau Lichtinghagen-Wirths über Kreislaufwirtschaft hat sprechen hören, lässt das Thema zirkuläre Wertschöpfung nicht mehr los. Silke Schulte hat es sich zur Aufgabe gemacht, in der ESG das Angebot an nachhaltigen, recycelten und recycelbaren Materialien auszuweiten. Dazu braucht sie den Austausch mit Unternehmen, die Pionierarbeit geleistet haben und bereit sind, ihre Erfahrungen zu teilen. Zwei Eigenschaften, die Silke Schulte an Yasmin Nicole Besli und Oguzhan Sengül schätzt.
Um zu verstehen, wie komplex die Thematik Abfallmanagement im Bereich Messebau ist, muss man wissen, dass an einem gelungenen Messeauftritt zahlreiche Akteure beteiligt sind, jeder mit unterschiedlichen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Da ist zum einen die Messegesellschaft, die den Messeplatz zur Verfügung stellt. Relevant für die im Klimaverbund zentralen Themen Energie, Abfall und Recycling: Der Veranstalter ist sowohl für die Gebäudeenergie als auch für die Abfallentsorgung zuständig. Er ist der erste, der für die Aufbauarbeiten Licht und Heizung anschaltet und der letzte, der für das Thema Mülltrennung verantwortlich ist. Das einzelne Messebauunternehmen – also die Partner der ESG –, das mit der Planung und dem Auf- und Abbau des einzelnen Messeauftritts beauftragt ist, hat jedoch in der Regel keinen Vertrag mit der Messegesellschaft, sondern nur mit dem jeweiligen Aussteller – also mit dem Unternehmen, dessen Name und Produkte durch den Messeauftritt einen bleibenden Eindruck hinterlassen soll.
Wenn die Messebauunternehmen vor Ort mit ihren LKWs ankommen, um den Stand aufzubauen, treten sie also nicht als direkter Vertragspartner auf und müssen mit den Bedingungen arbeiten, die sie vorfinden. Vor allem knappe Auf- und Abbauzeiten machen eine fachgerechte Entsorgung nicht immer einfach. Der Teufel steckt zuweilen im Detail. „Es mag vielleicht Container zur Abfalltrennung geben, aber die Frage ist: Sind die auch erreichbar? Manchmal befinden die sich am anderen Ende des Geländes. Doch der Zeitdruck beim Abbau ist enorm. Nicht selten beginnt schon am nächsten Tag der Aufbau für die nächste Veranstaltung“, so beschreibt Silke Schulte die Situation.
Diesen Eindruck teilt auch Yasmin Nicole Besli, Geschäftsführerin von GO Exhibitions: „Ich bin schon so einige Male mit einem LKW voller Abfall zurückgefahren, weil es vor Ort in der Kürze der Zeit keine Möglichkeit gab, das ordentlich zu trennen.“ Was haben Yasmin Nicole Besli und Oguzhan Sengül in der Vergangenheit nicht schon alles ausprobiert: Sie haben direkt im Anschluss der Messe Verschenkungen organisiert und Mobiliar, Teppiche und Folienreste an Selbstabholer abgegeben. Riesige Papierrollen wurden an Kindergärten gespendet, als Bastel- und Malpapier. „Die malen wahrscheinlich heute noch“, merkt Besli an. „Und man muss sagen: Nach einer Zeit tritt auch eine gewisse Sättigung ein.“ Aktionen wie diese – also unbezahltes Extra-Engagement von Einzelpersonen, denen es gegen den Strich geht, neuwertige Materialen wegzuwerfen – können auf Dauer nicht die Lösung sein.
WOHIN MIT DEN HOCHWERTIGEN MATERIALIEN?
Die beiden Geschäftsführer und Silke Schulte sind sich einig, dass sich ganz grundsätzlich etwas ändern muss. Weil beim Messebau so viele verschiedene Akteure beteiligt sind, muss Schulte bei den Klimaverbund-Themen Abfallvermeidung und Ressourceneffizienz nicht nur Klimaprofi, sondern vor allem Kommunikationsprofi sein. Sie ist in engem Austausch mit ihren Partnern, ständig auf der Suche nach nachhaltigen Lösungen aus der Praxis.
„Im Gegensatz zu einer Agentur, die ausschließlich mit Konzept und Planung eines Messestandes befasst ist, haben Messebauunternehmen ihre Wurzeln oftmals im Handwerk“, so die Erfahrung von Silke Schulte. „Das heißt, sie denken die Materialien immer mit“. Getreu dem Motto „vermeiden, vermindern, verwerten“ heißt das: Wer hochwertige Materialien nach Ende der Messe nicht einfach wegwerfen, sondern wiederverwenden will, muss einen Ort haben, wo das alles gelagert werden kann. Bei GO Exhibitions haben sie jetzt 5.500 Quadratmeter Hochregal-Lager zur Verfügung, um die Messestände ihrer Stammkunden einlagern zu können.
Ob es schwierig war, die Kunden vom neuen Nachhaltigkeitskonzept zu überzeugen? „Überhaupt nicht“, sagt Yasmin Nicole Besli: „Die nachhaltigere Lösung ist ja oft die wirtschaftlichere Lösung. Kostenersparnis überzeugt immer.“ Und manchmal war auch ein radikaler Schnitt nötig. Oguzhan Sengül: „Wir haben uns auch von Kunden getrennt. Wenn es einfach nicht mehr passte.“ Er erzählt von Ausstellern, bei denen es jedes Jahr darum ging, sich komplett neu zu erfinden, immer höher, schneller, weiter. Den zur Schau gestellten Überfluss „à la Dubai“ empfanden Sengül und Besli jedoch irgendwann nicht mehr als zeitgemäß. Sich von zahlungskräftigen Kunden zu verabschieden, ist immer auch ein Risiko. „Doch es hat sich gelohnt. Wir sind jetzt in einem anderen Marktsegment unterwegs, europäischer, mit längerfristigen Verträgen“, erzählt Yasmin Nicole Besli.
Jetzt haben sie nach eigenen Schätzungen 75 Prozent Stammkunden, die Verträge laufen meist über drei bis vier Jahre. Weil es bei einem Messeauftritt ja auch um Wiedererkennung geht, werden die Messestände langfristig gedacht und eingelagert. Die Stände werden bei GO Exhibitions mittlerweile zum Teil in sogenannter „Mischbauweise“ gebaut. Von außen sind die Stände individuell gestaltet, innen steckt nicht selten ein Modulbausystem. Eine Entwicklung die besonders jetzt, neben dem Nachhaltigkeitsgedanken, einen weiteren entscheidenden Vorteil birgt: Auch die Messebaubranche hat mit Materialknappheit und Containerkrise zu kämpfen. „Modulare Systeme waren jahrelang out“, erklärt Oguzhan Sengül. Jetzt leben sie mit innovativen Modellen wieder auf. Mit mehrfach nutzbaren Standsystemen und der Wiederverwendung von Materialien werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Man vermeidet Lieferkettenprobleme und geht nachhaltig mit Ressourcen um. Die Messebesucher hingegen ahnen vom durchdachten Innenleben der Stände nichts: Was sie wahrnehmen, ist ein schöner, einzigartiger Stand aus einem Guss. Im nicht sichtbaren Rahmen stecken die Details: das konstruktive „Baugerüst“, die elektrische Verkabelung bis hin zu LED-Beleuchtungssystemen. Die Außenflächen werden beispielsweise mit Stoff bespannt, mit Verbundplatten verblendet oder sogar mit integrierbaren LED-Wandelementen zur Wiedergabe digitaler Inhalte belegt.
„DIE NACHHALTIGERE LÖSUNG IST JA OFT DIE WIRTSCHAFTLICHERE LÖSUNG“
Die beiden Geschäftsleiter führen Silke Schulte durch das neue Lager. Schulte hat sofort die „Klimaprofi“-Brille auf: Erfreut nimmt sie zu Kenntnis, dass die LED-Beleuchtung über Präsenzmelder eingeschaltet wird. Im Lager wird dank digitaler Warenwirtschaft effizient mit dem vorhandenen Raum umgegangen, jeder Platz hat einen Barcode. Die neuen Elektrohubwagen sind nicht nur klimaschonend, sondern auch für die Mitarbeiter angenehmer: Sie sind leiser und stinken nicht. Mittels Elektrostapler und Heckladerampen wurden die Prozesse beschleunigt. „Früher habe ich den LKW mit vier Mann drei Stunden lang geladen, jetzt dauert es jetzt nur noch 20 Minuten. Und das zu zweit“, so Oguzhan Sengül. Die Materialien werden in wiederverwendbaren (Steck-)Holzkisten gelagert, die man auseinandernehmen und flach lagern kann, wenn man sie nicht braucht. Das spart Müll und Platz und ist auch praktisch vor Ort auf dem Messegelände: Sobald die Kiste ausgepackt ist, kann man sie verschwinden lassen.
Um kratzempfindliche Messemöbel zu lagern, werden sie mit ausgedientem Messeteppich eingeschlagen. Mit Plastikfolie wird so sparsam wie möglich umgegangen. „Manchmal ist Folie aber unersetzlich“, weiß auch Silke Schulte. Mit einer sogenannten „Wickelmaschine“ können beispielsweise Materialien auf einer Palette fixiert und geschützt werden. „Allerdings sind zum Fixieren durchaus auch mal Bänder eine Alternative. Man muss sich immer fragen: Wann ist Plastik wirklich nötig? Und dann ist natürlich fraglich, ob eine Palette zwölfmal umwickelt werden muss oder ob auch dreimal reicht“, so Schulte. Eine sparsame Alternative sei auch der Einsatz von sogenannten Stretchrobotern. Der fährt automatisch um die Palette herum und benutzt dabei so wenig Folie wie möglich. Oguzhan Sengül bestätigt: Er hat bereits einen Stretchroboter bestellt.
Doch Klimaprofi Schulte will noch weiter gehen und dafür ihre Rolle als Netzwerkerin nutzen: Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Praxiserfahrungen ihrer Partner zu sammeln und sich gemeinsam auf die Suche nach einer plastikfreien Alternative zu machen. Ob Maisfolie oder andere innovative Materialien: Gemeinsam wollen sie identifizieren, welche Folie unter Nachhaltigkeitsaspekten am sinnvollsten ist und welche sich am besten für die gängigen Maschinen eignet. Mit diesen Erfahrungswerten können sie dann gemeinsam an die Hersteller herantreten. Ein Termin mit einem Folienhersteller ist bereits vereinbart. Es geht nicht nur um Stretchfolie: Auch beim Aufbau ist Folie zum Abdecken von empfindlichen Bodenbelägen unersetzlich. Alternativen zu Plastik müssen sowohl reißfest als auch flüssigkeitsabweisend sein.
NACH UNS DIE PLASTIKFLUT? DAS KANN DIE BRANCHE NICHT AUF SICH SITZEN LASSEN
Wenn die passenden Produkte gefunden sind, wird Silke Schulte bei ihren Partnern den konkreten Bedarf abfragen. Bei mehr als 150 einkaufenden Unternehmen kommt da eine Menge zusammen. Vorteil für die Lieferanten: Sie können mit einem festen Auftragsvolumen rechnen. Silke Schulte: „Ich stehe dann mit der ESG dafür gerade, dass die vorbestellte Menge auch abgenommen wird.“ Der Plastikmüll, der auf diese Weise eingespart werden kann, wäre enorm. Und „Klimaprofi“ Silke Schulte könnte in Bezug auf diese Materialien hinter das Klimaverbund-Thema „Abfallvermeidung“ einen sehr großen Haken machen.
Oguzhan Sengül ist ein Tüftler, ständig auf der Suche nach Optimierungen in allen Belangen. Um seinen Kunden maximale Individualität zu bieten, hat er ein eigenes Modulbausystem entwickelt, das mit einem der gängigen Systeme kompatibel ist. In seiner Werkstatt kommt auch Druckluft zum Einsatz. Bei der Klimaprofi-Schulung wurde dem Thema Lastmanagement/Druckluft ein ganzer Block gewidmet. „Mir war nicht klar, wie unglaublich energieintensiv Druckluft ist“, so Silke Schulte. „Seitdem sehe ich es als meine Aufgabe als Klimaprofi, jedes Unternehmen dafür zu sensibilisieren. Es geht darum, Leckagen zu schließen, Knicke zu vermeiden und Energie nicht ungenutzt verpuffen zu lassen. Wenn man weiß, wie kostenintensiv Druckluft ist, wird man nie wieder seine Kleidung damit abpusten.“ Erfreut nimmt Klimaprofi Schulte zur Kenntnis, dass Oguzhan Sengül die Abwärme des Kompressors nutzt, um seine Werkstatt zu beheizen.
Als es um die Auswahl der Materialien für die Außenflächen der Stände geht, haben Sengül, Besli und Klimaprofi Schulte sofort ein neues gemeinsames Thema: Hier bieten sich schier unendliche Möglichkeiten. Aber welche Materialen sind unter Nachhaltigkeitsaspekten sinnvoll? Die Stoffe für die Textilbespannung beispielsweise sollten in Deutschland gewebt werden, die Druckfarben wasserlöslich sein. Bei den Platten für das eigene Modulbausystem will Oguzhan Sengül weg vom PVC, zurzeit ist er auf der Suche nach einer upgecycelten Hartfaser, die auch die Anforderungen an den Brandschutz erfüllt. Gemeinsam überlegen sie, welcher Hersteller dafür infrage kommen könnte.
Silke Schulte weiß es zu schätzen, dass Sengül und Besli zu den Unternehmern gehören, die nicht nur Pioniergeist haben, sondern auch bereit sind, sich in die Karten schauen zu lassen und ihre Erfahrungen großzügig zu teilen. „Es sind genau diese wertvollen Erkenntnisse aus der Praxis, die ich für die ESG brauche, um Entwicklungen vorantreiben zu können.“ Silke Schulte und Oguzhan Sengül wollen sich gemeinsam auf die Suche nach nachhaltigen Materialien machen, ein Nachfolgetermin ist bereits vereinbart. „Bei der Identifizierung von nachhaltigen Materialien ist für mich der Perspek- tivwechsel wichtig“, so Schulte. „Deshalb sind für mich die Erfahrungen, die jemand wie Oguzhan Sengül macht, so wertvoll. Er kennt die Anforderungen, die ein Produkt oder Material in der Praxis, im Stresstest des Messealltags, erfüllen muss. Ich wiederum kenne die Lieferanten.“ Silke Schulte sieht die ESG und den Klimaverbund als Netzwerk, die die wertvolle Expertise der Messebauunternehmer nicht verpuffen lässt, sondern zurück an die Lieferanten spielt. Anstatt dass jeder allein vor sich hintüftelt, können die Kräfte gebündelt werden. „Ist ein geeignetes Material identifiziert, können die nachhaltig agierenden Messebauunternehmen gemeinsam vor die Lieferanten treten und sagen: Hier ist ein Bedarf, wir nehmen euch das ab.“ Viele Lieferanten seien zum Umdenken bereit, so Schulte. Sie will die ESG als digitalen Marktplatz ausweiten, mehr Lieferanten sollen ins Boot geholt werden. Der Klimaverbund kann dabei als Informationsverstärker dienen, um größere Sichtbarkeit zu entfalten.
ANGEBOTE FÜR DEN NACHHALTIGEN BEDARF
Was Silke Schulte an GO Exhibitions schätzt: Dass sich der Nachhaltigkeitsgedanke durch alle Ebenen zieht, sei es beim Klimaschutz, beim Ressourcenschutz oder beim Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. GO Exhibitions konnte während der Corona-Krise alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Geschäftsführer, die den Menschen im Blick haben, auch die Natur im Blick haben,“ fasst Silke Schulte zusammen. „Die Krise hat erst sichtbar gemacht, wie viele Menschen in der Messe-, und Veranstaltungsbranche arbeiten, wer alles vom Ausfall betroffen war“, so Schulte. „Die Veranstaltungswirtschaft ist der sechstgrößte Wirtschaftszweig in Deutschland.“ Mit über einer Million direkt Beschäftigten arbeiten dort sogar 170.000 mehr Menschen als in der Automobilindustrie.
Der Bedarf an nachhaltigen, klimaschonenden Produkten und Dienstleistungen wächst stetig. Über die Klimaprofi-Beratung hinaus sieht es das Projekt Klimaverbund als seine Aufgabe, die mittelständischen Verbundgruppen, die sich auf den Weg Richtung klimaneutralem und nachhaltigem Wirtschaften gemacht haben, miteinander zu vernetzen. Jeder kann hier vom Best Practice der anderen profitieren. Das Know-how wird geteilt und fließt zurück in die Anschlusshäuser. Ein Klimaprofi wie Silke Schulte ist in ihrer Schlüsselposition ein „Klimaprofi deluxe“ – denn sie ist gleichzeitig Entscheiderin und Gestalterin. Dort wo entschieden wird, welche Materialien in riesigen Mengen den Besitzer wechseln, entscheidet sich auch, welche Container sich auf den Weg machen, welches regionale Start-up sich über Großabnehmer freuen darf, wer mit einem traditionellen Produkt neuen Erfolg hat – und nicht zuletzt, wer sich nach einigen ressourcenschonenden Videokonferenzen auf der nächsten Messe wieder nachhaltig feiern lassen darf.
Dass die Klimaprofis Branchen-Insider sind, erweist sich als großer Vorteil. So wie Silke Schulte im stetigen Austausch mit ihren Messebauunternehmen ist, haben auch die anderen 14 Klimaprofis die Anforderungen und Bedürfnisse ihrer Anschlusshäuser genau im Blick. Es ist die Kombination von interdisziplinärem Know-how und Insider-Kenntnissen, die eine Klimaprofi-Beratung für die kleinen und mittleren Unternehmen so wertvoll macht. Um diese dabei zu unterstützen, den Herausforderungen der Zukunft aktiv zu begegnen, bräuchte es noch viel mehr „Klimaprofis“.