Junckers Mannschaft: Die Quadratur des Kreises
Am 10. September hat der neue Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seine Mannschaft vorgestellt. Überraschend waren die Verteilung der Zuständigkeit und der Zuschnitt der neuen EU-Kommission. Die Machtverhältnisse werden vordergründig nicht wiedergespiegelt.
Brüssel, 16.09.2014 — Es dürfte eine der meist erwarteten Pressekonferenzen in Brüssel gewesen sein. Pünktlich um 12:00 Uhr trat der neue Präsident der EU-Kommission Jean-Claude Juncker vor die Öffentlichkeit. Er präsentierte den gespannten Journalisten den Zuschnitt und die Ressortverteilung seiner Kommission. Das bestehende System der EU-Kommission als Kollegialorgan — ein Organ, dem mehrere Personen als Organwalter zugeordnet sind - hat er weitgehend abgeschafft.
Vielmehr sorgt ein neues System von Vizepräsidenten ab sofort für ressortübergreifende Zuständigkeiten in der EU-Kommission. Die sieben Vizepräsidenten, denen jeweils mehrere Kommissare zugeordnet sind, übernehmen eine koordinierende Rolle. Sie sind nicht inhaltlich aber politisch für ihre jeweiligen Portfolios zuständig, und verfügen über eigene Kabinette mit jeweils sieben Mitarbeitern. Abhängig vom jeweiligen Dossier koordinieren sie die Aufgaben der ihnen unterstehenden Kommissare.
"Mit der Entscheidung Junckers, die Mehrheit seiner Kommissare aus den kleineren und meist osteuropäischen Mitgliedstaaten zu bestimmen, ist ihm vielleicht die Quadratur des Kreises gelungen", resümiert der Referatsleiter des EU-Büros des MITTELSTANDSVERBUNDES, Tim Geier. Die Vizepräsidenten werden zwar eine zentrale Rolle in der zukünftigen Politik der EU-Kommission spielen, aber "nur" koordinierend. "Anderseits sind die Kommissare aus den großen Mitgliedstaaten mit eigenen Dossiers ausgestattet, werden jedoch zu einer viel größeren Kooperation zwischen den einzelnen Generaldirektionen gezwungen und sind den Vizepräsidenten weisungsgebunden", so der Europa-Experte des Verbands. Ob sich die Vizepräsidenten aber auch wirklich in ihrer Rolle durchsetzen können, werde sich erst in der Zukunft zeigen.
Erster stellvertretender Vizepräsident und Kommissar für bessere Rechtsetzung, interinstitutionelle Beziehungen, Rechtstaatlichkeit und Grundrechte wird der frühere niederländische Außenminister, Frans Timmermanns. Als Junckers "rechte Hand" sind ihm alle Kommissare unterstellt, wenn es um Fragen unnötiger bürokratischer Lasten geht - ein Themenbereich, den DER MITTELSTANDSVERBUND seit langer Zeit verfolgt.
In der Riege der Vizepräsidenten wird zudem der ehemalige finnische Premierminister und Kommissar für Beschäftigung, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit, Jyrki Katainen künftig eine wichtige Rolle für den Mittelstand spielen. Er steht vor der großen Herausforderung, innerhalb der ersten drei Monate ein Investitionspaket zur Schaffung von mehr Beschäftigung auf den Weg zu bringen. Diesen Auftrag hat er von Juncker explizit in den sogenannten bekommen, gleichermaßen die zukünftige Marschroute für alle Kommissare.
Eine weitere wichtige Kommissarin ist El#380;bieta Bie#324;kowska, die den Bereich Binnenmarkt, Industriepolitik und Unternehmertum bekommen hat. Die Generaldirektion Unternehmen wurde mit Bereichen der Generaldirektion MARKT (Steuerung des Binnenmarkts, Vergabewesen, gewerbliches Eigentum, Kampf gegen Produktfälschungen und Piraterie und Dienstleistungen) verschmolzen. Wichtige Dossiers aus ihrem Bereich sind der Zugang von KMU zum Binnenmarkt und vor allem zu Finanzierungen.
"Bie#324;kowska wird zwar künftig ihre Dossiers mit fünf Vizepräsidenten abstimmen müssen, die Konzentration mittelstandsrelevanter Kompetenzen führt aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES aber zu einer Aufwertung dieses Politikbereichs", bewertet Geier. Zu erwarten ist zudem eine kohärentere Rechtsetzung in diesem Bereich.
Die tschechische Justizkommissarin Vera Jourová übernimmt die bisher in der Generaldirektion MARKT liegende Zuständigkeit für die soziale Verantwortung von Unternehmen (CSR). Zudem wird sie auch für die Verbraucherpolitik zuständig sein.
Die Belgierin Marianne Thyssen hat das Dossier Sozialpolitik und Beschäftigung bekommen. Sie wird sich mit den Themen Jugendarbeitslosigkeit und der Mobilität von Arbeitskräften beschäftigen.
Der Spanier Miguel Arias Canete wird als Kommissar für Klima und Energie auch die für den MITTELSTANDSVERBUND relevanten Themen Energieeffizienz und erneuerbare Energien angehen.
Günther Oettinger wird die Generaldirektion Digitale Wirtschaft und Gesellschaft übernehmen. In seiner Zuständigkeit wird das Themenfeld Copyright und geistiges Eigentum im Internet sein. Gerade mit Blick auf den für den kooperierenden Mittelstand relevanten Online-Handel ergeben sich dadurch Berührungspunkte.
Die neue Kommissionsstruktur entspricht auch nicht der Ausschussstruktur im Europäischen Parlament. "Es bleibt also abzuwarten, ob dieses organisatorische Umgestaltungen vornimmt", sagt Geier.
Vom 29. September bis zum 07. Oktober müssen die nominierten Kommissare dem Europäischen Parlament Rede und Antwort zu ihren zukünftigen Politiken stehen. Im Anschluss muss die Kommission am 21. Oktober als Ganzes vom Parlament angenommen werden. Am 1. November könnte die neue Kommission dann ihr Amt antreten.
DER MITTELSTANDSVERBUND wird über die weiteren Entwicklungen informieren.
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