Trilog-Einigung über Kartellschadensersatz
Es war keine leichte Geburt. Erst im dritten Anlauf einigten sich Kommission, Rat und Parlament in den Trilog-Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag zum Kartellschadensersatz. Jetzt scheint aber die größte Hürde genommen zu sein.
Brüssel, 07.04.2014 — Sollen sogenannte Streuschäden in Sammelklagen durchgesetzt werden können? Über diese Frage wurde lange heftig diskutiert. Streuschäden treten bei einer großen Personenzahl auf, haben gleiche oder vergleichbare Ursachen und die Schadenshöhe ist so gering ist, dass es sich für den einzelnen Geschädigten nicht lohnt, seinen juristischen Anspruch weiter zu verfolgen. Illegale Preisabsprachen sind ein Beispiel für solche Schäden. Und auch die Frage, ob eine Vereinfachung von Kartellschadensersatzklagen im Wege des sogenannten "Private Enforcements" zu weniger Wettbewerbsverstößen führt, ist unter Experten seit je her umstritten.
Der im Frühjahr 2013 von der EU-Kommission vorgelegte Richtlinienvorschlag zum Kartellschadensersatz sollte diese Diskussionen beenden. Seit seiner Vorlage wird der Richtlinienentwurf allerdings von Wissenschaft, Rechtsprechung und Verbänden heftig kritisiert. Und auch die drei Institutionen der EU waren offenbar nicht gänzlich von dem Regelwerk überzeugt. Ansonsten hätten Rat, Kommission und Parlament wohl nicht drei Anläufe benötigt, um sich in den sogenannten Trilog-Verhandlungen zu einigen.
Die Richtlinie soll es Opfern eines Kartells ermöglichen, vollen Ersatz des hierdurch erlittenen Schadens - sowohl für die tatsächlichen Verluste als auch für entgangene Gewinne - zu erhalten. Die Mitgliedstaaten müssen nun sicherstellen, dass jeder Kartellverstoß zu einem adäquaten Schadensersatz bei den Geschädigten führt. "Für Deutschland ist dieser Klageanspruch nicht neu", erklärt Dr. Günther Schulte, Leiter des MITTELSTANDSVERBUND-Büros in Brüssel. Neu aber seien die Regelungen zu zwei wichtigen Fragen.
Es soll vermieden werden, dass
- alle Geschädigten einen Anspruch geltend machen können,
- weitergeleitete Schäden, also zu hohe Preise, die in Weiterverkaufspreise innerhalb der Kette einkalkuliert wurden, nicht zu doppelten Schadensberechnungen führen, andererseits aber der Verbraucher, der letzte in der Kette, entschädigt werden kann.
Die zweite Problematik befasst sich mit der Offenlegung von Unterlagen. Wenn die Kartellbehörde wegen der Anzeige eines Kronzeugen tätig geworden ist, stellt sich die Frage, ob die klagende Partei Einsicht in die Unterlagen nehmen kann. Das gilt besonders für die Unterlagen der von Bußgeldern freigestellten Kronzeugen. "Auch hier ist die Lösung der Richtlinie nicht nur unverständlich, sondern auch kaum durchsetzbar", kritisiert Schulte.
Das Mitglied der Hauptgeschäftsführung bezweifelt, dass die Kommission durch die Richtlinie die drei gesteckten Ziele - Verbesserung der Ahnung von Kartellverstößen, Weiterleitung des Schadensersatzanspruchs an den letzten Verbraucher und Schutz der Kronzeugen durch das Verbot der Offenlegung eingereichter Unterlagen - erreicht hat.
Auch der BGH-Richter Prof. Joachim Bornkamm bezeichnete das Regelwerk am 3./4. April auf dem internationalen Forum "EU-Kartellrecht" in Brüssel als "naiv und ausgegoren".
Die Mitgliedstaaten haben nun die Aufgabe, die Richtlinie in nationales (Zivil)Recht umzusetzen. Wegen der Komplexität des Rahmens rechnet der Leiter des Brüsseler MITTELSTANDSVERBUND-Büros mit Schwierigkeiten nicht nur auf der Ebene der Gesetzgebung. Sowohl die nationalen Gerichte, als auch der Europäische Gerichtshof (EUGH) werden mit dem Kartellschadensersatz nach seiner Auffassung noch intensiv befasst werden.
"Insgesamt ist es mehr als fraglich, ob diese Regelung die Neigung, Kartelle zu schließen, effektiv bekämpfen wird und zu einem gerechteren Ersatz der den Geschädigten entstandenen Schäden führt", so Schulte.
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