Rat einigt sich auf gemeinsame Position zur Green Claims Richtlinie

Im Rahmen der jüngsten Sitzung des Umweltministerrats Anfang dieser Woche haben sich die Regierungsvertreter der Mitgliedstaaten trotz Enthaltung Deutschlands auf eine offizielle Position (sog. "general approach") zur Green Claims Richtlinie einigen können. Somit nimmt das Gesetz, welches rigide Standards für die Verwendung umweltbezogener Werbeaussagen schaffen will, langsam Form an. Die abschließende Ratsposition vermag es nicht, die Kritik an der Richtlinie zu entkräften – und geht in manchen Bereichen sogar über den Regelungsgrad des Parlamentsvorschlags hinaus.

Brüssel, 20.06.2024 - Während die Staats- und Regierungschefs am Montag in Brüssel kurz nach der Europawahl über die Besetzung der drei EU-Spitzenämter berieten, ging im knapp 200 Kilometer entfernten Luxemburg der Politikbetrieb wie gewohnt weiter. Nachdem bereits im September vergangenen Jahres hierzu eine vorläufige (inoffizielle) Einigung zwischen Rat und Europäischem Parlament erreicht wurde, einigten sich die Umweltminister:innen der 27 Mitgliedstaaten nun auf eine erste offizielle Position in der Causa „Green Claims“. Durch die deutsche Enthaltung wird damit die Liste der Gesetze, die ohne Zustimmung der Bundesrepublik zustande kommen, vermutlich länger.

Der ursprüngliche Entwurf der Kommission sah vor, dass umweltbezogene Werbeaussagen zu Produkten und Dienstleistungen mithilfe eines Bewertungskatalogs vorab klar belegt werden müssen. Zudem sollten Unternehmen mittels zusätzlicher Informationen etwa in Form von Weblinks oder QR-Codes auf den Produkten zu getätigten Werbeaussagen ihren Kommunikationspflichten gegenüber Verbraucher:innen gerecht werden. Nicht zuletzt sollte die Vereinheitlichung von Umweltzeichen nach besonderen EU-rechtlichen Anforderungen verhindern, dass Unternehmen bei privat geführten Prüfstellen Zertifikate einkaufen. 

Position des Rates: Einführung von vereinfachten Verfahren, zudem Kleinstunternehmen in der Pflicht

Die nun angenommene Position des Rates kommt ohne große Veränderungen aus. Vor allem das ex-ante-Verifikationsprinzip bleibt unangetastet, wodurch Werbeaussagen weiterhin von unabhängigen Experten vorab verifiziert werden müssten. In einigen Punkten sahen die Staaten allerdings Nachbesserungsbedarf, und zwar:

  • die Einführung eines „vereinfachten Verfahrens“, bei dem anstelle einer unabhängigen Verifikation Dritter ein Nachweis über das Ausfüllen eines technischen Dokuments genügt. Dieses Verfahren kommt nur unter strengen Bedingungen zur Anwendung, etwa wenn sich die Aussage auf den Aussageinhalt eines Umweltzertifikats bezieht
  • die Entbindung von EN ISO 14024 type I-Umweltzeichen (z.B. Blauer Engel) von der Verifikationspflicht, wobei die Anerkennung eines solchen Umweltzeichen eines einzigen Mitgliedstaats für den gesamten EU-Raum gelten würde
  • die Pflicht für Unternehmen, spezifische Informationen über die Art und Anzahl der verwendeten „carbon credits“ („CO2-Zertifikate“, die von Unternehmen erworben werden können) bereitzustellen, sollten diese als Grundlage für klimabezogene Aussagen wie die Klimaneutralität von Unternehmen dienen
  • die Verpflichtung für Kleinstunternehmen, die Bestimmungen der Richtlinie 14 Monate später als andere Marktteilnehmer anzuwenden - Kleinstunternehmen waren im ursprünglichen Entwurf noch von den Verpflichtungen ausgenommen

Kritik ebbt nicht ab – Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt

Auch wenn die neue Position des Ministerrats die zumindest vage Forderung nach finanzieller und administrativer Unterstützung enthält, droht die Green Claims Richtlinie zu einem weiteren Regulierungsmonster des Green Deals für den Mittelstand zu werden. Die Kommission schätzt die Kosten für jede einzelne verifizierte Umweltaussage auf über 50.000€ - unverhältnismäßig viel Geld für ein mittelständisches Unternehmen, das zusätzlich noch mit hohem Zeit- und Arbeitsaufwand kalkulieren muss. 

In ihrer derzeitigen Form droht die Richtlinie sogar, Sinn und Zweck des Green Deals zu unterlaufen: Die drakonischen Strafen, die bei Verstößen drohen - darunter Bußgelder von bis zu 4% des Jahresumsatzes – führen dazu, dass Unternehmen Nachhaltigkeitsaspekte als Werbemittel zunehmend meiden. Auch in Verbund mit den Themen Nachhaltigkeitsberichterstattung oder Lieferkette wird enormes Potenzial verschenkt: Berichts- oder Sorgfaltspflichten könnten grundsätzlich im Sinne eines ganzheitlichen Nachhaltigkeitskonzepts in imagefördernde Botschaften über das eigene Unternehmen integriert werden. Die hiermit verbundenen hohen Kosten und Strafbeträge bei Verstößen machen diese Chance allerdings – zumindest stand jetzt– zu einem unkalkulierbaren Risiko. 

„Die europäischen Gesetzgeber verhindern somit, dass Unternehmen aus den umfassenden Pflichten des Green Deal auch positive Aspekte ziehen können. Der Akzeptanz sowie der Anreiz für Unternehmen, ihre Umweltanstrengungen noch zu steigern und zu einem wesentlichen Teil ihrer Geschäftsstrategie zu machen, wird dadurch ein Bärendienst erwiesen“, meint daher auch Tim Geier, Geschäftsführer Büro Brüssel, DER MITTELSTANDSVERBUND – ZGV e.V.

Wie geht es jetzt weiter?

Die nunmehr vereinbarte allgemeine Ausrichtung des Rates ist die Grundlage für die offiziellen Verhandlungen zwischen den europäischen Gesetzgebern. Diese sollten in den kommenden Wochen und Monaten starten. Pikant: Beide Hauptberichterstatter des Gesetzestextes für das Parlament, Andurs Ansip (Renew) und Cyrus Engerer (S&D), sind nach den Europawahlen nicht mehr im Europäischen Parlament vertreten. Auch ist fraglich, ob die Neubesetzung des Parlaments die Position des Europäischen Parlaments vom März in zweiter Lesung bestätigen wird.

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