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EU-Mobilitätspaket in Kraft getreten: Neue Sozialvorschriften für Berufskraftfahrer

Der im Juli beschlossene Teil I des EU-Mobilitätspakets ist größtenteils zum 20. August in Kraft getreten und bringt vielfältige neue Sozialvorschriften für Berufskraftfahrer mit sich. Dabei kommt es sowohl zu Verschärfungen als auch zu Flexibilisierungen bisheriger Regelungen.

Berlin, 28.08.2020 – Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben im vergangenen Juli das sogenannte Mobilitätspaket Teil I verabschiedet und damit zahlreiche Neuregelungen in den Bereichen der Arbeitnehmerentsendung von Berufskraftfahrerinnen und -fahrern, des Markt- und Berufszugangs sowie der Sozialvorschriften auf den Weg gebracht. Während etwa die Regelungen zu den Markt- und Berufszugangsverordnungen erst 18 Monate nach ihrem Inkrafttreten unmittelbare Geltung erlangen, sind die Neuregelungen im Bereich der Sozialvorschriften größtenteils bereits zum 20. August 2020 in Kraft getreten.

Der im Juli beschlossene Teil I des EU-Mobilitätspakets ist größtenteils zum 20. August in Kraft getreten und bringt vielfältige neue Sozialvorschriften für Berufskraftfahrer mit sich. Im Folgenden geben wir einen Überblick über die wichtigsten Anpassungen mit Relevanz für Unternehmen des kooperierenden Mittelstands.

Überschreitung der täglichen oder wöchentlichen Lenkzeit im Ausnahmefall

Zukünftig soll stärker als bisher dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es unvorhersehbare Situationen geben kann, in denen die Fahrerinnen und Fahrer nicht in der Lage sind, den Ort, an dem sie ihre wöchentliche Ruhezeit verbringen möchten, im Einklang mit den gesetzlich vorgeschriebenen Lenkzeiten zu erreichen. Deshalb dürfen Fahrerinnen und Fahrer die tägliche und die wöchentliche Lenkzeit um bis zu eine Stunde überschreiten, um die Betriebsstätte ihres Arbeitgebers oder den eigenen Wohnsitz zu erreichen und dort eine reguläre Wochenruhezeit einzulegen.

Haben die Fahrerinnen und Fahrer vor der entsprechenden zusätzlichen Lenkzeit eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von 30 Minuten eingelegt, dürfen sie ihre Lenkzeit ausnahmsweise um zwei Stunden verlängern. Auch hier gilt dies nur unter der Voraussetzung, dass sie die Betriebsstätte ihres Arbeitgebers oder ihren Wohnort ansteuern, um dort eine reguläre Wochenruhezeit einzulegen.

Sämtliche Lenkzeitverlängerungen müssen durch gleichwertige Ruhepausen ausgeglichen werden und unterliegen der Dokumentationspflicht. Zudem ist bei Anwendung dieser Ausnahmeregelungen sicherzustellen, dass die Sicherheit im Straßenverkehr zu keinem Zeitpunkt gefährdet wird.

Ausnahmen vom Geltungsbereich

Die geltenden Ausnahmen im Rahmen der sogenannten „Handwerkerklausel“ nach Artikel 3 Buchstabe aa) der VO (EG) Nr. 561/2006 werden dahingehend angepasst, dass ab dem 21. August 2020 auch die Auslieferung von handwerklich hergestellten Gütern möglich ist. Die bestehenden Limitierungen (max. 7.500 kg zHm, max. 100 km Luftlinie Umkreis) werden beibehalten. Dies hat keine direkte Wirkung auf Fahrzeuge bis 3.500 kg zHm, da hier ein statischer Verweis in der Fahrpersonalverordnung (FPersV) besteht.

Perspektivisch könnte in Deutschland auch die Beförderung von Transportbeton sowie die Beförderung von Baumaschinen für Bauunternehmen (im 100 km-Luftlinie-Umkreis und wenn das Lenken nicht die Haupttätigkeit des Fahrers ist) ausgenommen werden, wozu es aber zunächst einer Anpassung der FPersV bedarf. Deshalb könnten diese Ausnahmen frühestens ab 2021 gelten.

Einbeziehung leichter Nutzfahrzeuge in den Anwendungsbereich

Die Neuregelungen sehen auf der anderen Seite vor, dass auch kleine Nutzfahrzeuge, deren zulässiges Höchstgewicht einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 2,5 Tonnen übersteigt und die im grenzüberschreitenden Güterverkehr oder für Kabotagebeförderungen eingesetzt werden, ab dem Jahr 2026 in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 über die Lenk- und Ruhezeiten einbezogen werden.

Erfassung von Urlaubs- und Krankheitsphasen

Eine Klarstellung im neuen Artikel 34 der VO (EU) Nr. 165/2014 besteht darin, dass nun Urlaubs- und Krankheitstage offiziell unter dem Symbol „Bett“ erfasst werden dürfen, was auch endlich die Forderungen aus dem § 20 FPersV legalisiert. Dabei muss gewährleistet werden, dass die Zeiten in der vorgeschriebenen betrieblichen Arbeitszeitaufzeichnung nach § 21a Absatz 7 ArbZG nicht als Freizeit erfasst werden, da sie nicht zur Kompensation überdurchschnittlich langer Arbeitszeiten herangezogen werden dürfen.

Intelligenter Fahrtenschreiber der zweiten Generation

Im Zuge des Mobilitätspakets Teil I werden auch die Weichen für die künftige Nutzung des intelligenten Fahrtenschreibers der zweiten Generation gestellt. Durch Einführung dieses intelligenten Fahrtenschreibers, der in Zukunft auch Grenzüberfahrten sowie Be- und Entladungsorte speichert, soll durch eine genauere Positionsbestimmung die Sicherheit im Straßenverkehr erhöht und die Kontrollierbarkeit der Einhaltung verbindlicher Sozialstandards (Lenk- und Ruhezeiten, Arbeitszeitregelungen, Entsenderecht) sowie der Marktzugangsregelungen verbessert werden. Vor der Einführung des intelligenten Fahrtenschreibers der zweiten Version sieht das Mobilitätspaket Teil I vor, dass die Europäische Kommission bis zum August 2021 technische Spezifikationen vorlegt, die dann von den Fahrtenschreiberherstellern umgesetzt werden müssen.

Die Implementierung der intelligenten Fahrtenschreiber der zweiten Generation erfolgt dann zeitlich gestaffelt, wodurch sich für die Unternehmen unterschiedliche Fristen für die Pflicht zur Ausstattung ihrer Fahrzeuge mit den entsprechenden Fahrtenschreibern ergeben:

  • Neufahrzeuge sind ab Spätsommer 2023 auszustatten;
  • Fahrzeuge mit analogem oder digitalem Fahrtenschreiber sind bis Winter 2024 mit dem intelligenten Fahrtenschreiber der zweiten Version nachzurüsten;
  • Fahrzeuge mit intelligentem Fahrtenschreiber der ersten Version sind bis Herbst 2025 mit dem intelligenten Fahrtenschreiber der zweiten Version nachzurüsten.

Die nun im Rahmen des Mobilitätspaketes in Kraft getretenen Neuregelungen für Berufskraftfahrerinnen und -fahrer sowie diejenigen, die sich zeitnah ankündigen, bedeuten aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES Licht und Schatten für die Unternehmen – besondere Relevanz besteht hier für den mittelständischen Handel, aber teilweise auch für das Handwerk. Zum einen wurden nun einige Klarstellungen sowie Vereinfachungen  vorgenommen, wodurch die Organisation und Zeiterfassung in manchen Fällen erleichtert werden könnte. Zum anderen gelten nun in bestimmten Bereichen auch Verschärfungen, die besondere Aufmerksamkeit bei der Fahrtenplanung erfordern. Finanzieller Aufwand entsteht den Unternehmen in jedem Fall durch die sukzessive Einführung der intelligenten Fahrtenschreiber der zweiten Generation ab 2023, der auch in der verpflichtenden Nachrüstung älterer Fahrzeuge besteht. Hierfür gilt nun zwar ein längerer Zeithorizont. Gleichwohl ergeben sich daraus für die Unternehmen zusätzliche finanzielle Belastungen.

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