Neues Nachweisgesetz bringt analogen Handlungsbedarf für Arbeitgeber
Seit dem 1. August 2022 gilt das neue Nachweisgesetz und fordert von Arbeitgebern, Beschäftigte schriftlich über die geltenden Arbeitsbedingungen zu informieren. Verstöße sind bußgeldbewehrt. Es besteht Überarbeitungsbedarf bei Arbeitsvertragsmustern und schriftlichen Unterrichtungen.
Berlin, 08.08.2022 – In Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (Arbeitsbedingungenrichtlinie) hat der deutsche Gesetzgeber den Arbeitgebern eine neue, unnötig komplizierte Aufgabe auferlegt. Die Umsetzung erfolgte durch Änderungen im bislang weitgehend unbekannten Nachweisgesetz (NachweisG), das bereits in der Vergangenheit vorgab, dass Arbeitnehmern ein schriftlicher Nachweis über bestimmte Arbeitsbedingungen auszuhändigen war. In der Praxis war das vielfach entbehrlich, da diese Arbeitsbedingungen regelmäßig in Arbeitsverträgen enthalten waren und sind. Wesentlicher Treiber der Richtlinie ist die Behauptung, dass aufgrund "einiger neue Arbeitsformen" eine größere Notwendigkeit für Mitarbeitende besteht, umfassend, zeitnah und schriftlich (!) in einer leicht zugänglichen Form über ihre wesentlichen Arbeitsbedingungen unterrichtet zu werden.
Nunmehr wurde die Liste der mitzuteilenden Arbeitsbedingungen erweitert und mit unterschiedlichen Fristen versehen. Zudem wurde sie auch erstmals mit einem Bußgeld von bis zu 2.000 EUR pro Verstoß – also bei fehlender, falscher oder nicht fristgerechter Unterrichtung – versehen. Höchst erstaunlich und zu kritisieren ist, dass der Gesetzgeber nicht die Möglichkeiten der Digitalisierung und den entsprechenden Spielraum der Richtlinie genutzt hat. Die Unterrichtungen sind zwingend in Schriftform, d.h. auf Papier ausgedruckt und unterschrieben, vorzunehmen.
In erster Linie müssen die Arbeitgeber bei Neuverträgen, d.h. bei Arbeitsverhältnissen, die ab dem 1. August 2022 beginnen, tätig werden. Auch bei Arbeitsverträgen, die zwar einen Tätigkeitsbeginn ab dem 1. August 2022 vorsehen, aber bereits zuvor abgeschlossen wurden, sollte nachjustiert werden. Bei Altverträgen müssen die Arbeitgeber nur dann handeln und dem Arbeitnehmer eine zusätzliche schriftliche Unterrichtung zur Verfügung stellen, wenn dieser das verlangt.
Das neue NachwG sieht für die Unterrichtungspflichten eine komplizierte, dreistufige Frist vor. Bei Neuverträgen muss die Unterrichtung über einige Arbeitsbedingungen bereits am ersten Tag, andere nach spätestens sieben Tagen und wieder andere nach spätestens einem Monat erfolgen. In der Praxis wird dies dazu führen, dass die Unterrichtung in einem Dokument spätestens am ersten Tag erfolgt. Für Altverträge gilt eine Frist von sieben Tagen beziehungsweise einem Monat nach Aufforderung. Also wird hier in der Praxis ebenfalls die sieben-Tages-Frist maßgeblich sein, wenn Arbeitgeber eine Stückelung der Dokumente vermeiden wollen.
All dies führt zu Handlungsbedarf in den Personalabteilungen. Unterrichtungen müssen entworfen und ggf. Vertragsmuster überarbeitet werden. Wichtig ist, dass die Informationen nicht allesamt im Arbeitsvertrag enthalten sein müssen. Stattdessen ist es möglich und empfehlenswert, Arbeitnehmer in einem gesonderten Schreiben über die wesentlichen Vertragsbedingungen zu unterrichten und in den Arbeitsvertrag nur die Punkte aufzunehmen, die man üblicherweise vertraglich vereinbart.
In die Unterrichtung sind – sofern nicht bereits im schriftlichen Arbeitsvertrag enthalten – gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 NachweisG mindestens aufzunehmen:
- der Name und die Anschrift der Vertragsparteien,
- der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses,
- bei befristeten Arbeitsverhältnissen: das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses,
- der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, daß der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder seinen Arbeitsort frei wählen kann,
- eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit,
- sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit,
- die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung,
- die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen,
- bei Arbeit auf Abruf nach § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes:
a) die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat,
b) die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden,
c) der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und
d) die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat, - sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen,
- die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,
- ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung,
- wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers; die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist,
- das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden,
- ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.
Eine FAQ-Liste der BDA zu den Neuregelungen finden Sie anliegend. Mitgliedern des MITTELSTANDSVERBUNDES und des Arbeitgeberverbandes Gewerblicher Verbundgruppen stellen wir auf Anfrage gern Muster für Unterrichtungsschreiben zur Verfügung.