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BAG: Urlaubsgewährung begründet verfallenen Urlaubsanspruch nicht neu

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Erklärung, mit der der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zwecks Urlaubsgewährung freistellt, regelmäßig nicht zum Ausdruck bringt, dass er verfallene Urlaubsansprüche neu begründen wolle.

Berlin, 19.05.2014 — Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 12. November 2013 - 9 AZR 551/12 - finden Sie hier.

Leitsatz des Gerichts

Die Erklärung des Arbeitgebers, er gewähre einem Arbeitnehmer Erholungsurlaub, ist in der Regel Erfüllungs-, nicht aber Verpflichtungshandlung. Der Arbeitgeber bringt mit der Freistellungserklärung regelmäßig zum Ausdruck, dass er bestehende Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers durch die Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung für einen bestimmten Zeitraum erfüllen will. Ein von einem rechtsgeschäftlichen Erklärungsbewusstsein getragener Wille des Arbeitsgebers, durch die Freistellung bereits verfallene Urlaubsansprüche neu zu begründen und diese in einem Akt (uno actu) zu erfüllen, kann nur unter besonderen Umständen angenommen werden.

Sachverhalt

Die Klägerin verlangt die Gewährung von 12 Arbeitstagen tariflichen Mehrurlaubs aus 2008. Der Urlaub beträgt nach dem zugrundeliegenden Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 25. Juli 2008 (MTV) 36 Werktage für sie. Der Urlaub ist nach § 15 MTV möglichst im laufenden Kalenderjahr zu nehmen und zu gewähren. Eine Übertragung auf das nächste Kalenderjahr ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Wird der Urlaub auf das Folgejahr übertragen, muss er in den ersten vier Monaten diesen Jahres genommen und gewährt werden.

Die Klägerin war von März 2008 bis Mitte Mai 2009 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Während der sich daran anschließenden Wiedereingliederung beantragte die Klägerin, ihr 12 Arbeitstage tariflichen Mehrurlaubs für 2008 zu gewähren. Die Beklagte teilte ihr mit, sie solle den Urlaub im Anschluss an die Wiedereingliederungsmaßnahme ab dem 11. Juni 2009 nehmen. In der Folgezeit widerrief die Beklagte die Urlaubsgewährung.

Entscheidungsgründe

Im Gegensatz zu den Vorinstanzen geht das BAG davon aus, dass die Klägerin keinen Anspruch auf 12 Tage tariflichen Mehrurlaub aus 2008 hat. Dieser Urlaubsanspruch sei gemäß § 15 MTV ungeachtet der durchgehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin am 30. April 2009 verfallen.

Die Tarifvertragsparteien könnten Urlaubsansprüche, die über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen, frei regeln. Für einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, den tariflichen Mehrurlaub einem eigenen, von dem gesetzlichen Urlaub abweichenden, Fristenregime zu unterstellen, müssten deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Ein Gleichlauf der Ansprüche sei nicht gewollt, wenn die Tarifvertragsparteien entweder bei der Befristung und Übertragung oder beim Verfall des Urlaubs zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tariflichem Mehrurlaub unterschieden oder sich vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige, vom Bundesurlaubsgesetz abweichende Regelungen zur Befristung und Übertragung oder zum Verfall des Urlaubs getroffen hätten.

Die Parteien des MTV hätten sich hier vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige Regelungen getroffen. Unerheblich sei, dass die eigenständige Tarifregelung im Hinblick auf den gesetzlichen Mindesturlaub unwirksam sei. Für den vom gesetzlichen Urlaub abtrennbaren Teil der einheitlich geregelten Gesamturlaubsdauer, dem tariflichen Mehrurlaub, bleibe sie gemäß § 139 BGB wirksam. Eine einzelvertragliche Regelung liege nicht vor.

Die Erklärung des Arbeitgebers, er gewähre Erholungsurlaub sei im Regelfall Erfüllungs- und nicht Verpflichtungshandlung. Der Arbeitgeber bringe mit der Freistellung regelmäßig zum Ausdruck, dass er bestehende Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers durch die Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung für einen bestimmten Zeitraum erfüllen wolle. Ein von einem rechtsgeschäftlichen Erklärungsbewusstsein getragener Wille des Arbeitgebers, durch die Freistellungserklärung bereits verfallene Urlaubsansprüche neu zu begründen und diese in demselben Akt (uno actu) zu erfüllen, könne nur unter besonderen Umständen angenommen werden. Diese lägen hier nicht vor.

Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Gewährung des Urlaubs unter dem Gesichtspunkt von Schadensersatz. Die Beklagte habe sich nicht in Verzug befunden.

Bewertung/Folgen der Entscheidung

Mit seinem Urteil stellt das BAG noch einmal klar, unter welchen Voraussetzungen der übergesetzliche Mehrurlaub bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit verfallen kann. Zu Recht unterstreicht das Gericht, dass eine "versehentliche" Urlaubsgewährung nicht bedeutet, der Arbeitgeber wolle bereits verfallene Urlaubsansprüche neu begründen.

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