EU-Staaten auf der Schulbank
Die EU-Kommission hat am 2. Juni wirtschaftspolitische Empfehlungen an einige Mitgliedstaaten gerichtet. Darin fordert sie die EU-Länder auf, die Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung zu schaffen.
Brüssel, 04.06.2014 — Während die sogenannten länderspezifischen Empfehlungen der EU-Kommission im letzten Jahr noch von der Finanz- und Wirtschaftskrise geprägt waren, ermutigt Brüssel die EU-Ländern in diesem Jahr weitere Reformen anzustrengen.
Die EU-Staaten hätten zwar bereits erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Folgen der Krise zu bewältigen. Aber auch wenn die Volkswirtschaften sich langsam wieder erholen, werde das Wirtschaftswachstum in den Jahren 2014 und 2015 eher schwach ausfallen, meint die Brüsseler Behörde. Deswegen müssten die Mitgliedstaaten alles tun, um nachhaltig Wachstum und Beschäftigung zu schaffen und zu sichern.
Das Verfahren
Im Jahre 2011 wurde das europäische Semester eingeführt. So sollte eine engere wirtschafts-, finanz- und beschäftigungspolitische Koordinierung der Mitgliedstaaten gewährleistet werden. Dazu stellt die EU-Kommission immer zum Jahresanfang ihren Jahreswachstumsbericht vor. Der Bericht identifiziert die - aus Sicht der Kommission - wichtigsten horizontalen finanz-, wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Herausforderungen in der EU.Auf dem Frühjahrsgipfel des Europäischen Rates werden danach die horizontalen politischen Leitlinien durch die Mitgliedstaaten festgelegt. Auf dieser Grundlage erarbeiten die Mitgliedstaaten ihre nationalen Reformprogramme, in denen sie darlegen, wie sie die Leitlinien auf nationaler Ebene umsetzen wollen. Am Ende eines jeden Zyklus stellt die Kommission dann ihre Einschätzung der nationalen Reformprogramme vor und gibt Empfehlungen an die Mitgliedstaaten ab – die länderspezifischen Empfehlungen.
Deutschland gibt zu viel Geld aus
Ein Hauptkritikpunkt an Deutschlands Wirtschaftspolitik ist die Kosteneffizienz der öffentlichen Hand. Deutschland habe im Bereich der öffentlichen Ausgaben für Gesundheitswesen und Pflege nur begrenzte Fortschritte erzielt, auch wenn neue Initiativen angekündigt wurden.Auch belaste die kürzlich verabschiedete Rentenreform die Tragfähigkeit des öffentlichen Rentensystems. Da diese durch eine Beitragserhöhung finanziert werden soll, verringere sich das verfügbare Einkommen der aktiven Erwerbsbevölkerung - der demographische Wandel stelle einen zusätzlichen belastenden Faktor da. Das könnte auch negative Auswirkungen auf den Abschluss betrieblicher und privater Alterssicherungen haben. Neue versicherungsfremde Leistungen wie die Mütterrente sollten daher durch allgemeine Steuereinnahmen finanziert werden, um einen Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge zu vermeiden. Außerdem sollten mehr Anreize für einen späteren Renteneintritt gesetzt werden.
Arbeitnehmer werden zu stark belastet
Die Kommission kritisiert weiter, dass der Faktor Arbeit in Deutschland immer noch zu hoch belastet wird. Die Steuerlast ließe sich gerechter verteilen, wenn die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer neu bewertet würde. Zudem bestehe Spielraum zur Erhöhung der periodischen Immobilienabgaben. Schließlich sollte über eine Reform im Bereich der Gewerbesteuer nachgedacht werden.Den geplanten Mindestlohn kommentiert die Kommission nur zaghaft. Dieser solle im Hinblick auf die Beschäftigung genau beobachtet werden. Durch den Mindestlohn könnte die Zahl der Geringverdiener, die ihr Einkommen durch bedarfsabhängige Leistungen aufstocken müssen, sinken und die Inlandsnachfrage gestärkt werden. Es bestehe trotzdem die Gefahr einer geringeren Nachfrage, sobald die Lohnkosten steigen und an die Verbraucher weitergegeben würden.
Herausforderung Energiewende
Nach Ansicht der Kommission hat sich das deutsche System zur Förderung von erneuerbaren Energien auf der einen Seite als erfolgreich erwiesen, verursacht aber auf der anderen Seite auch hohe Kosten. Die Reform des EEG müsse daher dazu beitragen, die Kosteneffizienz des Systems zu steigern. Da die Erzeuger von den Preissignalen des Marktes abgekoppelt seien, trage das bestehende System wenig zur Marktintegration der Erneuerbaren bei.Die Kommission betont darüber hinaus, dass die Steigerung der Energieeffizienz wesentlich sei, um die Gesamtkosten der Energiewende zu senken - eine Aussage, der DER MITTELSTANDSVERBUND als Träger des Projekts "Mittelstand für Energieeffizienz" nur unterstützen kann.
Insgesamt begrüßt DER MITTELSTANDSVERBUND die Brüsseler Empfehlungen an Deutschland. Nach der Auffassung des Spitzenverbandes des kooperierenden Mittelstandes hätte die EU-Kommission aber in einigen Punkten noch deutlicher werden können. "Gerade in der Steuerpolitik fehlt eine klare Linie, damit standortbedingte Standortnachteile ausgeglichen werden", sagt Tim Geier, Referatsleiter des Europa-Büros des MITTELSTANDSVERBUNDES. Ob die Bundesregierung den Empfehlungen aus Brüssel folgt, bleibt abzuwarten. DER MITTELSTANDSVERBUND wird sich in Berlin und Brüssel für weitere Reformen einsetzen.Weitere Informationen: