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Alle zusammen - EU-Gesetzgeber einigen sich auf europaweite Sammelklagen

In einem 9-stündigen Verhandlungsmarathon erreichten Rat und Europäisches Parlament in der Nacht zum 23. Juni eine politische Einigung für Regeln der europäischen Sammelklage. DER MITTELSTANDSVERBUND kritisiert Missbrauchsgefahren.

Brüssel, 23.06.2020: Das Projekt ist fast 30 Jahre alt: Die Schaffung einheitlicher Regeln für die kollektive Durchsetzung von Verbraucherrechten in Europa. Bereits unter Kommissionspräsident Juncker wurde ein neuer Anlauf genommen, um dieses Projekt endlich abzuschließen. Mit der Einigung am heutigen Morgen steht nun fest, wie und in welchem Umfang Verbraucher ihre Rechte zukünftig gemeinsam durchsetzen können.


Was bislang bekannt ist

Auch wenn das „Endprodukt“ - der finale Text - noch nicht veröffentlicht wurde, sickern nach und nach die wesentlichen Punkte der Richtlinie durch:

  • Qualifizierte Einrichtung: Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, mindestens eine qualifizierte Einrichtung für die kollektive Geltendmachung von Verbraucherrechten zu benennen. Verbraucherschutzverbände könnten dann stellvertretend für die Geschädigten auf Unterlassung oder Schadensersatz klagen.
  • Klagemöglichkeiten: Neben der Verletzung von Verbraucherrechten sollen auch Verstöße gegen Regeln des Datenschutzes, Finanzdienstleistungen sowie Energie- und Umweltrecht sowie Gesundheitsfragen gebündelt werden können.
  • Looser Pays: Als Grundsatz und als Begrenzung des Missbrauchspotentials wurde an dem Prinzip festgehalten, dass die im Prozess unterlegene Partei die Kosten der Gegenseite zu tragen hat.
  • Prozessfinanzierung: Weiterhin soll die Möglichkeit, das Kostenrisiko im Prozess durch eine Finanzierung Dritter zu verringern, beschränkt werden. Sammelklagen allein aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten sollen somit verhindert werden.
  • Frühe Interventionsmöglichkeit der Rechtspflege: Gerichte und Behörden sollen bereits früh und abschließend entscheiden können, ob eine Klage Aussicht auf Erfolg hat oder offensichtlich unbegründet ist.

Was bedeutet das für die Wirtschaft

Verstöße gegen das Verbraucherrecht - wie beispielsweise der Diesel-Skandal eindrucksvoll zeigte - können in Zukunft schneller und effizienter durchgesetzt werden. Gleichsam diametral erhöht sich das Drohpotential gegenüber Unternehmen und der Industrie.

„Auch wenn der ausgehandelte Vorschlag zunächst ausgewogen erscheint, zeigt sich wieder einmal, dass die Wirtschaft nicht als Partner, sondern vielmehr als Gegenspieler im alltäglichen Leben angesehen wird. Gerade in Zeiten von Corona ist der enge Kontakt zu den Kunden überlebensnotwendig. Der Mittelstand setzt daher auf schnelle, praktische und verbraucherfreundliche Lösungen denn auf langwierige Gerichtsprozesse.“ so Dr. Ludwig Veltmann, Hauptgeschäftsführer, DER MITTELSTANDSVERBUND. „Abhängig von der nationalen Umsetzung besteht erhebliches Potential, Unternehmen ohne Not in Vergleiche zu drängen. Eine klare Umsetzung der Vorschriften und eine restriktive Auslegung der Gerichte ist nunmehr notwendig, um das Missbrauchspotential zu begrenzen.“ so Veltmann weiter.

Vieles noch offen

Bislang unklar ist der Grundmechanismus des neuen Instruments: Muss sich ein Verbraucher aktiv einer Sammelklage anschließen oder drohen „amerikanische Verhältnisse“, in denen eine automatische Klageanschließung erfolgt.

Fraglich bleibt zudem, inwieweit die Bundesregierung das Instrument auch für Unternehmen öffnen wird. Gerade Mittelständler könnte so ihr Prozessrisiko verringern.

Noch ist Zeit: Zunächst müssen Rat und Europäisches Parlament den Text formal annehmen. Danach haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Richtlinien in nationales Recht umzusetzen.

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