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Besser spät als nie: Bundesregierung beschließt Entwurf für Wachstumschancengesetz

Die Bundesregierung hat auf ihrer Kabinettsklausur endlich den Entwurf eines Wachstumschancengesetzes beschlossen, das zahlreiche Maßnahmen zur steuerlichen Entlastung der Unternehmen in der jetzigen wirtschaftlichen Lage bündeln soll. Das Gesetz enthält gezielte Investitionsanreize, Vereinfachungen sowie bessere Verrechnungs- und Abschreibungsmöglichkeiten. Gegenüber dem Referentenentwurf wurde das Entlastungsvolumen noch einmal ausgeweitet. Auch wenn das Gesetzesvorhaben insgesamt positiv zu bewerten ist, drohen in einzelnen Punkten jedoch Nachteile.

Berlin, 01.09.2023 – Am 14. Juli 2023 hatte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) den umfangreichen Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“ veröffentlicht, zu dem sich DER MITTELSTANDSVERBUND bereits mit einer Stellungnahme geäußert hat. Eigentlich sollte das in Kurzform als „Wachstumschancengesetz“ firmierende Gesetz nach Abschluss der Verbändebeteiligung bereits Mitte August vom Bundeskabinett beschlossen werden. Nach internen Konflikten zwischen den Koalitionspartnern über die Priorisierung der Haushaltsmittel erfolgte der Beschluss nun jedoch erst am 30. August 2023 im Rahmen der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg. Von der bedauerlichen Verzögerung abgesehen wurde der Regierungsentwurf gegenüber dem Referentenentwurf in wesentlichen Punkten verbessert – er enthält nun z.B. auch eine befristete degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter.

Viele Einzelmaßnahmen mit einigen Nachbesserungen gegenüber Referentenentwurf

Der sehr umfangreiche Regierungsentwurf des Wachstumschancengesetzes bündelt relevante Änderungen in vielen Bereichen des Steuerrechts, die für die Unternehmensbesteuerung von großer Bedeutung sind – unter anderem im Einkommensteuer-, Körperschaft- als auch im Umsatzsteuerrecht. Enthalten ist auch ein eigenes Gesetz, mit dem eine Investitionsprämie für betriebliche Investitionen in Klimaschutz eingeführt werden soll. Im Folgenden geben wir einen Überblick über die zentralen Bestandteile des Gesetzes:

  • Mit dem neuen Klimaschutz-Investitionsprämiengesetz (Klimaschutz-InvPG) soll eine Investitionsprämie eingeführt werden, um Investitionen der Unternehmen in Klimaschutzmaßnahmen zu begünstigen. Dabei umfasst der Anwendungsbereich alle Steuerpflichtigen, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit haben – und deren Einkünfte nicht von der inländischen Besteuerung befreit sind. Zukünftig sollen Anschaffung oder Herstellung eines neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens bzw. die entsprechenden Maßnahmen, die zu nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten führen, im Zeitraum vom Tag nach der Verkündigung des Gesetzes bis zum 31. Dezember 2029 begünstigt sein, wenn sie dazu beitragen, die Energieeffizienz des Unternehmens zu verbessern. Diese Voraussetzung ist durch ein – unter Beteiligung eines Energieberaters bzw. unternehmensinternen Energiemanagers erstelltes – Einsparkonzept nachzuweisen. Die Bemessungsgrundlage soll im Förderzeitraum insgesamt maximal 200 Mio. Euro betragen, wobei die Investitionsprämie hiervon 15 % beträgt. Gleichwohl müssen die Investitionen einen Sockelbetrag von 5.000 Euro Anschaffungs- oder Herstellungskosten je Wirtschaftsgut übersteigen; Die Bemessungsgrundlage muss mindestens 10.000 Euro betragen und es können maximal vier Anträge im Förderzeitraum gestellt werden.
  • Die Sofortabschreibung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten für geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Absatz 2 EStG soll zukünftig bis zu einem Wert von 1.000 Euro (nach bisherigem Recht 800 Euro) möglich sein. Für entsprechende Sammelposten nach § 6 Absatz 2a EStG soll der bisherige Grenzwert von 1.000 Euro auf 5.000 Euro angehoben und die Auflösungsdauer von 5 auf 3 Jahre verringert werden. Beide Änderungen sollen für Anschaffungen von Wirtschaftsgütern ab dem 1. Januar 2024 gelten.
  • Die Sonderabschreibung nach § 7g Absatz 5 EStG soll ebenfalls ausgeweitet werden: Für Anschaffungen ab dem 1. Januar 2024 sollen bis zu 50 % der Investitionskosten abgeschrieben werden können (bisher bis zu 20 %).
  • Der zuletzt auf zwei Jahre erweiterte steuerliche Verlustrücktrag nach § 10 d Absatz 1 EStG soll ab dem Veranlagungszeitraum 2024 um ein weiteres Jahr auf bis zu drei Jahre ausgedehnt werden. Auch die zunächst nur befristet auf 10 Mio. Euro (bei Einzelveranlagung) bzw. auf 20 Mio. Euro (bei gemeinsamer Veranlagung) angehobenen Betragsgrenzen beim Verlustrücktrag sollen nun dauerhaft beibehalten werden. Für den steuerlichen Verlustvortrag nach § 10d Absatz 2 EStG ist ebenfalls eine Ausweitung vorgesehen: Die bisherige Deckelung auf maximal 60 % der Verluste, die den Sockelbetrag von 1 bzw. 2 Mio. Euro übersteigen, soll für die Veranlagungszeiträume 2024 bis 2027 auf 80 % erhöht werden.
  • Die degressive Abschreibung (AfA) für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die bereits in den Veranlagungszeiträumen 2020 bis 2022 galt, soll nun befristet für Wirtschaftsgüter wiedereingeführt werden, die nach dem 30. September 2023 und vor dem 1. Januar 2025 angeschafft wurden.
  • Eine degressive Abschreibung in Höhe von 6 % soll für Wohngebäude ermöglicht werden, die vom Steuerpflichtigen hergestellt oder bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft worden sind. Im Jahr der Anschaffung oder Herstellung erfolgt die Abschreibung zeitanteilig. Die degressive AfA kann dann erfolgen, wenn mit der Herstellung nach dem 30. September 2023 und vor dem 1. Oktober 2029 begonnen wird.
  • Die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG soll ausgeweitet werden und damit für mehr Unternehmer attraktiv werden. Dabei soll der begünstigungsfähige Gewinn um die gezahlte Gewerbesteuer und die Beträge, die zur Zahlung der Einkommensteuer entnommen werden, erhöht werden. Außerdem sollen steuerfreie und tarifbesteuerte Gewinne, die im Unternehmen belassen wurden, vorrangig entnommen werden können. Dies soll – später als ursprünglich geplant – für Gewinne ab dem 1. Januar 2025 gelten. Nicht angepasst würden hingegen die maßgeblichen Steuersätze für die begünstigten nicht entnommenen Gewinne in Höhe von 28,25 % bzw. für eine potenzielle Nachversteuerung in Höhe von 25 %.
  • Die zum Jahr 2022 eingeführte Option zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG, die bisher wenig genutzt wird, soll für weitere Rechtsformen geöffnet werden. Zukünftig alle Personengesellschaften die Möglichkeit erhalten, zur Körperschaftsbesteuerung zu optieren (bisher begrenzt auf Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften).
  • Neben der Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG sollen ab dem Veranlagungszeitraum 2024 alle Unternehmer von der Verpflichtung zur Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung gemäß § 18 UStG und Entrichtung der Vorauszahlung befreit werden sollen, wenn die Steuer für das vorausgegangene Kalenderjahr nicht mehr als 2.000 Euro (bisher 1.000 Euro) betragen hat. Kleinunternehmer sollen zudem zukünftig in vielen Fällen gar keine Umsatzsteuererklärung mehr einreichen müssen.
  • Zum 1. Januar 2025 soll die Ausstellung elektronischer Rechnungen (E-Rechnungen) für B2B-Umsätze obligatorisch werden. Dies wäre ein erster Schritt hin zu einer späteren Verpflichtung zur transaktionsbezogenen Meldung von Umsätzen im B2B-Bereich über ein bundeseinheitliches elektronisches Meldesystem. Ab 2025 soll nur eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird, das ihre elektronische Verarbeitung ermöglicht und die den Vorgaben der Richtlinie 2014/55/EU entspricht, als elektronische Rechnung gelten. Rechnungen, die in einem anderen elektronischen Format oder auf Papier übermittelt werden, sollen unter dem neuen Begriff "sonstige Rechnung" zusammengefasst werden. Bestimmte Übergangsregelungen sollen jedoch gelten: Für einen zwischen dem 1. Januar und 31. Dezember 2025 ausgeführten Umsatz soll befristet bis zum 31. Dezember 2025 statt einer E-Rechnung im obigen Sinne mit Zustimmung des Empfängers auch eine sonstige Rechnung auf Papier (oder in einem anderen elektronischen Format) ausgestellt werden können. Beträgt der Gesamtumsatz des Unternehmens im vorangegangenen Kalenderjahr höchstens 800.000 Euro, wird diese Frist um ein weiteres Jahr bis zum 31. Dezember 2026 verlängert. Für einen zwischen dem 1. Januar 2026 und 31. Dezember 2027 ausgeführten Umsatz soll zudem befristet bis zum 31. Dezember 2027 statt einer E-Rechnung mit Zustimmung des Empfängers auch eine sonstige Rechnung in einem anderen elektronischen Format ausgestellt werden können, wenn diese mittels EDI-Verfahren übermittelt wird.

Wichtige Impulse, aber in der Wirkung begrenzt

DER MITTELSTANDSVERBUND begrüßt ausdrücklich, dass die Bundesregierung nach vermeidbaren und lähmenden Verzögerungen endlich das Wachstumschancengesetz beschlossen hat. Denn grundsätzlich enthält dieses viele sinnvolle und überfällige Maßnahmen, um die hohe Steuerbelastung insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen zumindest ein Stück weit zu verringern. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage und hoher Kostensteigerungen in allen Bereichen braucht es solche strukturellen Entlastungen unbedingt. Das Entlastungsvolumen bleibt aber insgesamt nur moderat. Sehr begrüßenswert ist gleichwohl die dauerhafte Ausweitung der steuerlichen Verlustverrechnung – insbesondere die Ausdehnung des Verlustverrechnungszeitraums beim Verlustrücktrag auf drei Jahre – für den sich DER MITTELSTANDSVERBUND bis zuletzt vehement eingesetzt hat.

Neben den schon im Referentenentwurf vorgeschlagenen Maßnahmen wie der Anhebung des Grenzwerts für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter auf 1.000 Euro – sinnvoller wäre vor dem Hintergrund der hohen Inflationsrate eine Anhebung auf 1.200 Euro gewesen – und der Ausweitung bei der Sonderabschreibung ist es erfreulich, dass auch die degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter wiedereingeführt werden soll. Hier wäre aber ein längerer Zeitraum angebracht, als die Befristung bis Ende 2024 vorsieht. Die Verbesserungen bei der Thesaurierungsbegünstigung und der Option zur Körperschaftsbesteuerung hält DER MITTELSTANDSVERBUND weiterhin für grundsätzlich sinnvoll, aber zu zaghaft: Während bei der Thesaurierungsbegünstigung bedauerlicherweise die Steuersätze selbst nicht angepasst werden, bleibt bei die Option zur Körperschaftsbesteuerung weiterhin sehr komplex.

Die einzuführende Investitionsprämie zur Unterstützung der klimaneutralen Transformation der Unternehmen ist zwar im Kern gut gedacht, könnte aber durch zu strenge und unflexible Anforderungen gebremst werden. So kritisiert DER MITTELSTANDSVERBUND, dass das nötige Einsparkonzept grundsätzlich die Beteiligung eines zertifizierten Energieberaters voraussetzt. Davon abgesehen, dass die zertifizierten Energieberater derzeit unter massiven Kapazitätsengpässen leiden, bleiben die entsprechenden Initiativen des Mittelstands – wie z.B. die in Zusammenarbeit mit den Verbundgruppen ausgebildeten Klimaprofis – aus nicht nachvollziehbaren Gründen unberücksichtigt.

E-Rechnungspflicht ab 2025 überhastet und unflexibel

Bei der auch im Regierungsentwurf enthaltenen obligatorischen Pflicht zur Ausstellung von E-Rechnungen ab 2025 ist besondere Skepsis angebracht. Zwar erkennt DER MITTELSTANDSVERBUND die grundsätzlichen Vorteile einer elektronischen Rechnungsstellung ausdrücklich an. Dennoch würde eine überhastete verpflichtende Einführung viele kleinere Unternehmen durch den substanziellen Investitionsaufwand überfordern. Die zeitlichen Übergangsregelungen sind hier zu kurz gewählt. Zudem erfolgt leider keine Staffelung nach Unternehmensgröße, die zumindest für die Ausstellung von E-Rechnungen sinnvoll wäre. Besonders ärgerlich ist jedoch, dass das BMF mit Verweis auf die entsprechende europäische Norm ein ganz bestimmtes strukturiertes Format für E-Rechnungen vorschreiben möchte. Dieses unterscheidet sich jedoch vielfach von den im EDI-Verfahren seit langem etablierten Formaten und könnte somit eine vollständige Umstellung in den Unternehmen nötig machen. Diese würde bewährte Geschäftsprozesse im kooperierenden Mittelstand, gerade im Handel, ohne Not gefährden. DER MITTELSTANDSVERBUND spricht sich daher weiterhin für längere Übergangsfristen und deutlich flexiblere Anforderungen an das strukturierte Format aus.

DER MITTELSTANDSVERBUND wird auch das zeitnah beginnende parlamentarische Verfahren aufmerksam begleiten und sich hierbei aktiv einbringen, um in den entscheidenden Punkten auf Nachbesserungen im Sinne des kooperierenden Mittelstandes hinzuwirken.

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