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Bundesfinanzministerium legt Referentenentwurf für „Wachstumschancengesetz“ vor – Endlich ein großer Wurf in der Unternehmensbesteuerung?

Das Bundesfinanzministerium hat den umfangreichen Referentenentwurf eines sogenannten Wachstumschancengesetzes veröffentlicht, das zahlreiche steuerliche Maßnahmen bündelt. Ziel ist eine Verbesserung der finanziellen Situation der Unternehmen durch gezielte Investitionsanreize, Vereinfachungen und Entlastungen. Auch wenn der Entwurf vergleichsweise ambitioniert ausfällt und hilfreiche Anpassungen vornimmt, bleibt das Entlastungsvolumen für kleine und mittlere Unternehmen voraussichtlich begrenzt. Zudem drohen in einzelnen Bereichen auch Nachteile.

Berlin, 26.07.2023 – Nachdem die erste Hälfte des Jahres 2023 in der Steuerpolitik ruhig ausfiel, hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) am 14. Juli 2023 schließlich den Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“ veröffentlicht. Das in Kurzform als „Wachstumschancengesetz“ firmierende Gesetz überrascht dabei dadurch, dass es zahlreiche, teilweise schon seit längerem geplante Einzelmaßnahmen in einem sehr großen Maßnahmenbündel mit dem Ziel einer Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für die Unternehmen aufgehen lässt. Das BMF nutzt hier nicht zuletzt die finanziellen Spielräume, die es sich im Rahmen der zwischenzeitlich abgeschlossenen Beratungen über den Bundeshaushalt 2024 erstritten hat. DER MITTELSTANDSVERBUND hat sich im Rahmen der kurzfristigen Verbändebeteiligung mit einer eigenen Stellungnahme zum Referentenentwurf eingebracht.

Viele Änderungen in der Breite des Steuerrechts

Der sehr umfangreiche Referentenentwurf des Wachstumschancengesetzes enthält relevante Änderungen in vielen unterschiedlichen Bereichen des Steuerrechts, die besonders für die Unternehmensbesteuerung von Bedeutung sind – unter anderem im Einkommensteuer-, Körperschaft- als auch im Umsatzsteuerrecht. Enthalten ist auch ein eigenes Gesetz, mit dem eine Investitionsprämie für betriebliche Investitionen in Klimaschutz eingeführt werden soll. Im Folgenden geben wir einen Überblick über die wichtigsten Bestandteile des Gesetzes:

  • Mit dem neuen Klimaschutz-Investitionsprämiengesetz (Klimaschutz-InvPG) soll eine Investitionsprämie eingeführt werden, um Investitionen der Unternehmen in Klimaschutzmaßnahmen zu begünstigen. Dabei umfasst der Anwendungsbereich alle Steuerpflichtigen, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit haben – und deren Einkünfte nicht von der inländischen Besteuerung befreit sind. Zukünftig sollen Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens bzw. die entsprechenden Maßnahmen, die zu nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten führen, im Zeitraum von der Verkündigung des Gesetzes bis zum 31. Dezember 2027 begünstigt sein, wenn sie dazu beitragen, die Energieeffizienz des Unternehmens zu verbessern. Diese Voraussetzung ist durch ein – unter Beteiligung eines Energieberaters bzw. unternehmensinternen Energiemanagers erstelltes – Einsparkonzept nachzuweisen. Die Bemessungsgrundlage soll im Förderzeitraum insgesamt maximal 200 Mio. Euro betragen, wobei die Investitionsprämie hiervon 15 % beträgt. Gleichwohl müssen die Investitionen einen Sockelbetrag von 10.000 Euro Anschaffungs- oder Herstellungskosten je Wirtschaftsgut übersteigen; die Bemessungsgrundlage muss insgesamt mindestens 50.000 Euro betragen.
  • Die Sofortabschreibung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten für geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Absatz 2 EStG soll zukünftig bis zu einem Wert von 1.000 Euro (bisher 800 Euro) möglich sein. Für entsprechende Sammelposten nach § 6 Absatz 2a EStG soll der bisherige Grenzwert von 1.000 Euro auf 5.000 Euro angehoben und die Auflösungsdauer von 5 auf 3 Jahre verringert werden. Beide Änderungen sollen für Anschaffungen von Wirtschaftsgütern ab dem 1. Januar 2024 gelten.
  • Die Sonderabschreibung nach § 7g Absatz 5 EStG soll ebenfalls ausgeweitet werden: Für Anschaffungen ab dem 1. Januar 2024 sollen bis zu 50 % der Investitionskosten abgeschrieben werden können (bisher bis zu 20 %).
  • Der zuletzt auf zwei Jahre erweiterte steuerliche Verlustrücktrag nach § 10 d Absatz 1 EStG soll ab dem Veranlagungszeitraum 2024 um ein weiteres Jahr auf bis zu drei Jahre ausgedehnt werden. Auch die zunächst nur befristet auf 10 Mio. Euro (bei Einzelveranlagung) bzw. auf 20 Mio. Euro (bei gemeinsamer Veranlagung) angehobenen Betragsgrenzen beim Verlustrücktrag sollen nun dauerhaft beibehalten werden. Für den steuerlichen Verlustvortrag nach § 10d Absatz 2 EStG ist ebenfalls eine Ausweitung vorgesehen. Über die genaue Höhe wurde aber in der Ressortabstimmung noch keine Einigung erzielt.
  • Die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG soll ausgeweitet werden und damit für mehr Unternehmer attraktiv werden. Dabei soll der begünstigungsfähige Gewinn um die gezahlte Gewerbesteuer und die Beträge, die zur Zahlung der Einkommensteuer entnommen werden, erhöht werden. Außerdem sollen steuerfreie und tarifbesteuerte Gewinne, die im Unternehmen belassen wurden, vorrangig entnommen werden können. Dies soll für Gewinne ab dem 1. Januar 2024 gelten. Nicht angepasst würden hingegen die maßgeblichen Steuersätze für die begünstigten nicht entnommenen Gewinne in Höhe von 28,25 % bzw. für eine potenzielle Nachversteuerung in Höhe von 25 %.
  • Die zum Jahr 2022 eingeführte Option zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG, die bisher wenig genutzt wird, soll für weitere Rechtsformen geöffnet werden. Zukünftig sollen alle Personengesellschaften die Möglichkeit erhalten, zur Körperschaftsbesteuerung zu optieren (bisher begrenzt auf Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften).
  • Zum 1. Januar 2025 soll die Ausstellung elektronischer Rechnungen (E-Rechnungen) für B2B-Umsätze obligatorisch Dies wäre ein erster Schritt hin zu einer späteren Verpflichtung zur transaktionsbezogenen Meldung von Umsätzen im B2B-Bereich über ein bundeseinheitliches elektronisches Meldesystem. Ab 2025 soll nur eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird, das ihre elektronische Verarbeitung ermöglicht und die den Vorgaben der Richtlinie 2014/55/EU entspricht, als elektronische Rechnung gelten. Rechnungen, die in einem anderen elektronischen Format oder auf Papier übermittelt werden, sollen unter dem neuen Begriff "sonstige Rechnung" zusammengefasst werden. Zwei Übergangsregelungen sollen jedoch gelten: Für einen zwischen dem 1. Januar und 31. Dezember 2025 ausgeführten Umsatz soll befristet bis zum 31. Dezember 2025 statt einer E-Rechnung im obigen Sinne mit Zustimmung des Empfängers auch eine sonstige Rechnung auf Papier (oder in einem anderen elektronischen Format) ausgestellt werden können. Für einen zwischen dem 1. Januar 2026 und 31. Dezember 2027 ausgeführten Umsatz soll befristet bis zum 31. Dezember 2027 statt einer E-Rechnung mit Zustimmung des Empfängers auch eine sonstige Rechnung in einem anderen elektronischen Format ausgestellt werde, wenn diese mittels EDI-Verfahren übermittelt wird.

Gute Impulse, aber in der Wirkung begrenzt

Grundsätzlich ist der Referentenentwurf für ein Wachstumschancengesetz aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES als sinnvoller und überfälliger Aufschlag der Bundesregierung zu begrüßen, die hohe Steuerbelastung insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen zumindest ein Stück weit zu verringern. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage und hoher Kostensteigerungen in allen Bereichen braucht es dringend solche strukturellen Entlastungen. So finden sich im Referentenentwurf tatsächlich eine ganze Reihe von Einzelmaßnahmen, die DER MITTELSTANDSVERBUND seit Jahren eingefordert hat. Dies gilt etwa für Anhebung des Grenzwerts für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter. Die Anhebung auf 1.000 Euro fällt allerdings vor dem Hintergrund der hohen Inflationsrate zu zaghaft aus und sollte besser direkt auf 1.200 Euro erfolgen. Auch die Ausweitung bei der Sonderabschreibung sowie die Ausweitung der steuerlichen Verlustverrechnung – insbesondere mit Blick auf die Ausdehnung des Verlustverrechnungszeitraums auf drei Jahre – sind vor diesem Hintergrund sehr erfreulich. Dass nun auch die Thesaurierungsbegünstigung verbessert und die Option zur Körperschaftsbesteuerung auf mehr Rechtsformen ausgeweitet werden sollen, ist im Grundsatz ebenfalls zu begrüßen. Aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES sind die Anpassungen aber nicht geeignet, diese Instrumente für die breite Masse der kleinen und mittleren Unternehmen hinreichend attraktiv zu machen. Während bei der Thesaurierungsbegünstigung bedauerlicherweise die Steuersätze selbst nicht angepasst werden, bleibt bei die Option zur Körperschaftsbesteuerung weiterhin sehr komplex.

Die einzuführende Investitionsprämie zur Unterstützung der klimaneutralen Transformation der Unternehmen ist zwar im Kern gut gedacht, könnte aber durch zu strenge und unflexible Anforderungen gebremst werden. So kritisiert DER MITTELSTANDSVERBUND, dass das nötige Einsparkonzept die Beteiligung eines zertifizierten Energieberaters voraussetzt. Davon abgesehen, dass die zertifizierten Energieberater derzeit unter massiven Kapazitätsengpässen leiden, bleiben die entsprechenden Initiativen des Mittelstands – wie z.B. die in Zusammenarbeit mit den Verbundgruppen ausgebildeten Klimaprofis – aus nicht nachvollziehbaren Gründen unberücksichtigt.

E-Rechnungspflicht ab 2025 zu ambitioniert

Bei der in den Gesetzentwurf eingeflossenen obligatorischen Pflicht zur Ausstellung von E-Rechnungen ab 2025 – ein Diskussionsentwurf zu diesem Vorhaben war im Frühjahr veröffentlicht worden – ist besondere Skepsis angebracht. Zwar erkennt DER MITTELSTANDSVERBUND die Vorteile einer elektronischen Rechnungsstellung ausdrücklich an. Dennoch würde eine überhastete verpflichtende Einführung viele kleinere Unternehmen durch den substanziellen Investitionsaufwand überfordern. Die zeitlichen Übergangsregelungen sind hier zu kurz gewählt; zudem erfolgt leider keine Staffelung nach Unternehmensgröße, die zumindest für die Ausstellung von E-Rechnungen sinnvoll wäre. Besonders ärgerlich ist jedoch, dass das BMF mit Verweis auf die entsprechende europäische Norm ganz bestimmte Formate für E-Rechnungen vorschreiben möchte. Diese unterscheiden sich jedoch vielfach von den im EDI-Verfahren etablierten Formaten und könnten somit eine vollständige Umstellung nötig machen. Diese würde bewährte Geschäftsprozesse im kooperierenden Mittelstand, gerade im Handel, ohne Not gefährden. DER MITTELSTANDSVERBUND spricht sich daher mindestens für längere Übergangsfristen und flexiblere Regelungen aus.

DER MITTELSTANDSVERBUND wird das weitere Gesetzgebungsverfahren aufmerksam begleiten und sich zu gegebener Zeit wieder aktiv einbringen. Der Kabinettsbeschluss hierzu dürfte im August 2023 erfolgen.

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