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Aus dem KOMPASS 2024: „Wenn wir keine Daten teilen, kommen wir nicht voran“

Dr. Vanessa Just ist Gründerin und CEO der JuS.Tech AG, einem Start-up Unternehmensverbund für Nachhaltigkeit in der Digitalisierung, und Vorständin im KI-Bundesverband. Im KOMPASS-Interview erläutert sie, welche Herausforderungen Künstliche Intelligenz mit sich bringt und wie man als mittelständisches Unternehmen KI am besten für sich nutzt.

Frau Dr. Just, was persönlich fasziniert Sie am Thema Künstliche Intelligenz?

Bei meinem ersten Job bei Bosch Siemens Hausgeräte war ich mit dem Thema Nachhaltigkeit und Prozessoptimierungen betraut. Ich stellte mir zum Beispiel die Frage: Wie viele Waschmaschinen passen in einen LKW, damit weder Platz noch Ressourcen verschwendet werden? Ich habe Daten ausgewertet, dabei hat KI mich unterstützt. Ich bewerte Daten nicht aus einem technologischen Ansatz heraus, sondern weil ich Geschäftsprozesse optimieren und effizienter gestalten möchte. Der ökonomische, ökologische und soziale Aspekt steht für mich bei der Nutzung von KI im Vordergrund.

Inwiefern trägt KI zu einer nachhaltigen Wirtschaft bei?

Dabei spielen zwei Aspekte eine Rolle. Zum einen die Auseinandersetzung mit der Frage, wie und wo KI nachhaltig eingesetzt werden kann, zum Beispiel um den ökologischen Fußabdruck zu minimieren und Energie einzusparen. Zum anderen geht es um das Thema nachhaltige Digitalisierung, also welche Daten werden verarbeitet. Welchen CO2-Fußabdruck hat die Nutzung von KI? Sinnvoll wäre es beispielsweise, nicht bei jedem Thema ChatGPT zu befragen. Diese Reflexion geschieht bei den wenigsten. Es ist wichtig, sich im Vorfeld über einen effizienten Einsatz von Technologie im eigenen Unterneh- men Gedanken zu machen.

Wie erklären Sie sich den plötzlichen Hype insbesondere um ChatGPT? Was war bahnbrechend?

Die aktuelle Debatte ist das Ergebnis jahrelanger Forschung. Auf Fachtagungen ist das Thema KI schon seit Jahren präsent – erst durch ChatGPT ist es greifbarer geworden. Der Hype ist durch die Nähe und das Anfassbare ausgelöst worden. Durch die mediale Präsenz ist das Thema darüber hinaus noch mehr in den Fokus gerückt.

Abgesehen von ChatGPT – wie einfach oder schwierig ist der Zugang zu KI? Wo fange ich im Unternehmen an?

Wichtig ist, sich zunächst kleine Projekte zu suchen, mit denen man starten möchte, also „Quick-Wins“, die einen positiven Nutzen für die Geschäftsprozesse bereithalten. Das Projekt sollte sowohl technologisch, aber vor allem auch wirtschaftlich umsetzbar sein. Relevant ist zudem, die Mitarbeitenden mit ins Boot zu holen. Das geschieht am besten mit Unterstützung der einzelnen Führungskräfte. Wenn der Business Case identifiziert ist, kann man Mitarbeitenden zudem Fachschulungen anbieten. Es kommt insgesamt auf Technologieoffenheit und ein gemeinsames Miteinander an. Nur so kann ein Veränderungsprozess erfolgreich sein.

Können Sie einen positiven Business Case nennen?

Wir haben zum Beispiel ein Retail-Projekt mit unterstützt. Dabei sollten „Digital Twins“ auf der Fläche eingesetzt werden, um Mitarbeitende zu entlasten. Dynamische Preisschilder lassen sich zudem schnell implementieren. KI kann auch in der Buchhaltung und im Dokumentenmanagement entlasten. Alles, was in den Bereich Finanzen fällt, kann als Business Case für KI optimal genutzt werden. Hilfreich sind bei der Auswertung von Daten Zusammenschlüsse von Händlerinnen und Händlern. Denn: Je mehr Daten zur Verfügung stehen, umso besser ist die Umsetzbarkeit einer digitalen Lösung.

Müssen wir uns damit abfinden, dass künftig keine Information mehr privat ist und wir alle Daten über uns preisgeben müssen?

Nein, das bedeutet es nicht. Bei der Analyse von Daten geht es darum, einen Mittelwert zu definieren, der den Querschnitt abbildet. Natürlich funktioniert eine KI besser, je mehr Daten vorliegen, um ein möglichst realistisches Abbild zu erhalten und wir nicht mit synthetischen Datensätzen experimentieren müssen. Nur so kann KI faire und transparente Lösungen zur Verfügung stellen.

Können wir KI künftig überhaupt noch kontrollieren, oder müssen wir dafür selbst zum IT-Experten werden?

Wir brauchen künftig Menschen, die eine gewisse Technologieoffenheit mitbringen, aber nicht unbedingt programmieren müssen. Die Verantwortung für Entscheidungen wird weiterhin beim Menschen verankert bleiben, bei denjenigen Personen, die Fachexpertise mitbringen. Jede Person entscheidet selbst, welche Datenmengen freigegeben werden. Allerdings: Keiner kommt um das Thema herum. Sei es nur bei der kritischen Reflexion einer Datenmenge, aber dafür braucht es ein gewisses Branchen-Know-how.

Bei vielen Berufstätigen geht die Sorge um, durch KI ersetzt zu werden. Was sagen Sie dazu?

Menschliche Originalität ist nicht ersetzbar. Bislang kann KI nur imitieren, aber nicht kreieren. Wir müssen hier nur eine Unterscheidung treffen (können). Hinzu kommt die menschliche Emotionalität, die auch nicht imitiert werden kann. Ich frage Sie: Was ist wirklich wertvoll? Warum bezahlen Menschen für Originale mehr Geld? Hier gilt es, Antworten zu finden.

Welche Chancen und Herausforderungen im Umgang mit KI sehen Sie für den Mittelstand?

Ein wichtiger Aspekt für Unternehmen ist das Thema Effizienzsteigerung. Dies sorgt für eine Verbesserung der Prozesse und für mehr Transparenz. Zu den größten Herausforderungen zählen Sicherheitsthemen, also welche Daten stelle ich zur Verfügung. Darüber hinaus wird es wichtig sein, Mitarbeitende einzubinden und abzuholen, damit KI auf Akzeptanz stößt.

Wieso hinken wir beim Thema Einsatz von KI hinterher?

In Deutschland gibt es viele bürokratische Hürden, um Innovationen voranzutreiben. Andere Teile der Welt wie Asien oder die USA sind wesentlich investitionsfreudiger. Was uns in Deutschland oftmals hemmt, ist die „German Angst“, eine große Aversion, Risiken einzugehen. Datenhoheit und Datenschutz stehen über allem. Verständlich, andererseits, wenn wir keine Daten teilen, kommen wir nicht voran. Viele Unternehmen könnten davon profitieren, aber es mangelt an der öffentlichen Diskussion zu dem Thema.

Wie sieht Ihre Vision für die Zukunft in Bezug auf KI aus?

Ich wünsche mir eine faire, transparente und nachhaltige KI. Künstliche Intelligenz darf kein Luxusgut, sondern sollte niedrigschwellig zugänglich sein. Das hat auch wieder mit sozialer Nachhaltigkeit zu tun. Wir als Menschen werden künftig mehr im kritischen Denken gefordert sein – und das ist auch gut so. Das macht uns als Menschen stark. In anderen Bereichen wird KI uns überlegen sein.

TIPPS VON VANESSA JUST ZUM THEMA KI:

Die Plattform www.ai-lab.nrw dient als virtueller Marktplatz und experimentelle Testumgebung für KI-Systeme und ermöglicht kleinen und mittelständischen Unternehmen einen spielerischen Einstieg in die Welt der angewandten Künstlichen Intelligenz.

Die Seite www.plattform-lernende-systeme.de bietet Hintergrundwissen zum Thema KI und zeigt Fallbeispiele. Zudem gibt es Hinweise zu Workshops und Veranstaltungen.

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Juliane Wehr-Ibold | Leiterin Kommunikation und Digitalisierung (in Mutterschutz/Elternzeit bis Ende Juli 2025) | DER MITTELSTANDSVERBUND
Juliane Wehr-Ibold<span class='info'>Leiterin Kommunikation und Digitalisierung (in Mutterschutz/Elternzeit bis Ende Juli 2025)</span><span class='cat'>DER MITTELSTANDSVERBUND</span> Juliane Wehr-Ibold Leiterin Kommunikation und Digitalisierung (in Mutterschutz/Elternzeit bis Ende Juli 2025) DER MITTELSTANDSVERBUND E-Mail schreiben
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