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Koalitionsvertrag-Check: Digitalisierungsstrategie der neuen Bundesregierung – ambitioniert, aber Umsetzung offen

Die Digitalisierung ist wohl eine der größten Altlasten der scheidenden Bundesregierung. Bereits der Titel des neuen Koalitionsvertrags verspricht den Aufbruch in ein neues Zeitalter. Doch wie möchte die Ampel-Koalition Deutschland und Europa in Sachen Digitales nach vorne bringen? DER MITTELSTANDSVERBUND hat für Sie Kernpunkte der Digitalisierungsstrategie der neuen Koalitionäre zusammengestellt.

Berlin/Brüssel, 06. Dezember 2021 – In unserer mehrteiligen Beitragsreihe zum gemeinsamen Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung, bewerten wir die verschiedenen Vorhaben von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP nach den Themenschwerpunkten, die besondere Relevanz für die mittelständischen Unternehmen haben. Damit möchten wir Ihnen einen kompakten und gleichzeitig fundierten Überblick zur politischen Agenda der neuen Ampel-Koalition sowie deren Auswirkungen auf den kooperierenden Mittelstand bieten.

„Mehr Fortschritt Wagen“ – bereits der Titel des ausverhandelten Koalitionsvertrags verspricht viel. Die Ampel-Koalition will vieles anders machen und beschreibt in den folgenden rund 180 Seiten, wie dies zu tun ist. Das Thema Digitalisierung taucht dabei an verschiedenen Stellen auf. Inhaltlich kann der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und der FDP einige neue Akzente setzen und geht längst überfällige Baustellen bei der Verwaltungsdigitalisierung, der digitalen Transformation der Wirtschaft und dem Infrastrukturausbau an. Allerdings bleiben wesentliche Fragen zur Umsetzung dabei noch offen – etwa wie die Digitalpolitik künftig organisiert und gesteuert wird und von wem.

Die Herausforderungen

Ob Pandemie, Klimaerwärmung, eine veränderte weltpolitische Lage – es gibt viele Gründe, die für die aktuelle Stagnation der Digitalisierung in Deutschland herangezogen werden können. Die zukünftige Bundesregierung kehrt jedoch zuerst vor der eigenen Haustür und setzt sich für die Modernisierung und Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ein. Der öffentliche Sektor und damit auch die Bundesregierung müssen schneller und effektiver handeln können, um im Tagesgeschäft sowie im Krisenfall handlungsfähiger zu sein. Hierfür sollen Wege ermittelt werden, die den Kontakt der Bürger und Unternehmen mit den öffentlichen Stellen vereinfachen und große Verwaltungsverfahren in deren Planung, Genehmigung und Umsetzung beschleunigen.

Zentrales Budget für Digitalprojekte

In Sachen Finanzierung der Digitalvorhaben soll sich etwas Wesentliches ändern: So soll ein seit langem gefordertes „zentrales zusätzliches Digitalbudget“ eingeführt werden. Bisher gerieten viele Digitalprojekte wegen komplizierter Ressortabstimmungen und Zuständigkeiten in Vergessenheit. Die Zwanziger Jahre sollen zudem ein „Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen, insbesondere in Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung und Forschung sowie die Infrastruktur“ werden. Gemeint sind sowohl private wie öffentliche Gelder.

Digitale Verwaltung

Die Verwaltung soll digitaler und die Behörden hierfür mit der notwendigen Technik und dem entsprechenden Know-How ausgestattet werden. Zudem soll effizientes Verwaltungshandeln durch Schnittstellen zwischen Bund und Ländern ermöglicht sowie zentrale Daten-Portale aufgebaut werden. Erhobene Daten sollen in der Verwaltung möglichst lange nutzbar bleiben. Die neue Bundesregierung verspricht hierfür ein zusätzliches Digitalbudget sowie einen „Digitalisierungscheck“ von neuen Gesetzesentwürfen. Zusätzlich ermöglicht der formulierte Rechtsanspruch auf Open Data vor allem KMUs sowie jungen Unternehmerinnen und Unternehmern mit frischen Ideen, neue datenbasierte Geschäftsmodelle zu entwickeln. Einige Punkte bleiben jedoch vage – so sollen Zuständigkeiten und Budgets gebündelt werden, wo oder wie das aber passieren soll, bleibt unklar.

Zu begrüßen ist, dass im Bereich der Besteuerung eine Easy-Tax-Anwendung die Steuererklärung den Steuerschuldnern größtenteils vorausgefüllt bereitstellen und so das Verfahren erheblich vereinfachen soll. Insbesondere unternehmerische Steuerprüfungen werden durch den Einsatz digitaler Applikationen beschleunigt, was enorme Sparpotenziale mit Blick auf Zeit und Aufwand entsprechender Prüfungen birgt.

Zudem soll das Schriftformerfordernis, welches noch an vielen Stellen die Verwaltungsdigitalisierung hemmt, mit einer Generalklausel abgeschafft werden, statt stückchenweise die Fachgesetze anzupassen.

Guter Daten-Rahmen

Im Rahmen der Privatwirtschaft soll neben Änderungen im Wettbewerbsrecht ein Rahmen geschaffen werden, der Unternehmen einen möglichst umfangreichen Zugang zu Daten gewährt. Jeder, der an der Erzeugung von Daten bzw. Informationen mitgewirkt hat, soll auch an den im Verarbeitungsprozess gewonnenen Mehrwert partizipieren dürfen. Hierzu soll insbesondere ein Dateninstitut geschaffen werden, welches Datenverfügbarkeit und -standardisierung vorantreiben sowie Datentreuhändermodelle und Lizenzen etablieren soll. Auf der anderen Seite sollen jedoch auch Gebietskörperschaften einen besseren Zugang zu Unternehmens-Daten erhalten, soweit dies für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben wie der Daseinsvorsorge notwendig ist. Mobilitätsdaten sollten hingegen kein Hoheitswissen darstellen und weitestgehend der Öffentlichkeit im Rahmen eines Mobilitätsdatengesetzes zur Verfügung gestellt werden.

Mit Blick auf personenbezogene Daten sollen Techniken zur Anonymisierung ausgebaut und eine unzulässige De-Anonymisierung unter Strafe gestellt werden. Die Datenschutzkonferenz soll in ihrer Rolle als Kontroll-Instanz gestärkt werden und verbindliche Leitsätze aussprechen können. Insgesamt soll der Datenschutz im europäischen und internationalen Rahmen klarer und offene Fragen bald ausgeräumt werden.

Hohe Sicherheit & Infrastrukturausbau beschleunigen 

Als Grundvoraussetzung eines möglichst ungehinderten Daten-Flusses bedarf es auch einer möglichst sicheren Daten-Infrastruktur. Hierzu soll die Cybersicherheitsstrategie der Bundesregierung weiterentwickelt werden – auch unter Einbezug der öffentlichen Stellen, welche zukünftig Sicherheitslücken verbindlich melden müssten.

Große Baustelle der Digitalpolitik ist und bleibt der Infrastrukturausbau – hier fordert DER MITTELSTANDSVERBUND seit langem drastische Anstrengungen. Die Digitalisierung des Mittelstandes kann wegen seiner dezentralen Standorte nur mit leistungsfähigen Glasfaseranschlüssen bzw. Funknetzen gelingen. Hier strebt die neue Koalition eine flächendeckende Versorgung mit Glasfaser und dem neuesten Mobilfunkstandard 5G an, um die „weißen Flecken“ von der Landkarte Deutschlands zu radieren.

Fazit

Aufgrund jahrelangen Schneckentempos ist die neue Bundesregierung gezwungen, die Digitalisierung beschleunigt voranzutreiben. Dass dabei die öffentliche Verwaltung als Dreh- und Angelpunkt des notwendigen Fortschritts angesehen wird, ist nur folgerichtig.

Das Ermöglichen eines freien Daten-Flusses in alle Richtungen ist ein guter Ansatz, die Notwendigkeit eines europäischen oder gar internationalen Kontextes wird dabei erkannt und der Schwerpunkt der politischen Arbeit daher richtig verortet. Hier muss sich die neue Bundesregierung sputen. Denn: Viele wichtige europäische Projekte befinden sich auf der Zielgeraden, sodass dringend schnell und effektiv Einfluss genommen werden muss.

Besonders positiv hervorzuheben ist zudem, dass die neue Bundesregierung kooperativen Ansätzen in der Nutzung – wie etwa durch die geplante Etablierung eines Datentreuhänders – die erforderliche Aufmerksamkeit schenkt. Ob darüber hinaus Verbund-Systeme in der Datennutzung den Stellenwert und den notwendigen regulatorischen Rahmen zugesprochen bekommen, bleibt leider unerwähnt.

Was den Datenschutz anbelangt, betrachtet auch die neue Bundesregierung diesen als unveränderbar. Ob datengetriebene Geschäftsmodelle wirklich eine Chance bekommen, ist unter solchen Rahmenbedingungen eher zweifelhaft. Auch der angekündigte Kompetenzausbau der Datenschutz-Aufsichtsbehörden klingt nicht nach neuen Spielräumen für die mittelständische Wirtschaft.

In der Gesamtschau jedoch verspricht der Koalitionsvertrag grundsätzlich eine ambitionierte Digitalpolitik und bietet einen Rahmen, innerhalb dessen sich auch der kooperierende Mittelstand weiter entfalten kann. Noch sind die konkreten Strukturen und Zuständigkeiten allerdings nicht klar und bedürfen in ihrer Entstehung und Ausrichtung einer kritischen Begleitung durch den MITTELSTANDSVERBUND.

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