Wahlprogramm-Check: Digitalisierung
Mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl kochen auch alte aber weiterhin drängende Fragen der Verbundgruppen und ihrer Anschlusshäuser. Wie sieht es etwa mit dem Stand und der Weiterentwicklung der Datenwirtschaft aus? – DER MITTELSTANDSVERBUND hat für Sie die wichtigsten Punkte der Parteien in unserem „Wahlprogramm-Check“ zusammengefasst.
In unserer mehrwöchigen Beitragsreihe zur Bundestagswahl 2021 vergleichen und bewerten wir die Wahlprogramme der Parteien nach Themenschwerpunkten mit besonderer Relevanz für die mittelständischen Unternehmen. Dabei betrachten wir lediglich die Parteien, die nach gegenwärtigem Ermessen eine realistische Chance haben, an der kommenden Bundesregierung beteiligt zu sein. Damit möchten wir Ihnen einen kompakten und gleichzeitig fundierten Überblick zu den verschiedenen Wahlprogrammen und den dahinterstehenden Vorhaben der Parteien bieten.
Berlin, 18.08.2021 – Die Zukunft der Datenwirtschaft bleibt weiterhin eines der wichtigsten Themen innerhalb von Kooperationen. Wie können Daten zukünftig gemeinsam genutzt werden? Wie steht es mit dem Zugang zu Daten auf großen Plattformen oder Industriedaten? Wie können schlüssige Daten-Teilungs-Konzepte auf der einen und ein ausreichender Datenschutz auf der anderen Seite in Einklang gebracht werden? Aktuell arbeitet der Europäische aber auch der deutsche Gesetzgeber an neuen Ansätzen, um eine gerechtere Datenwirtschaft zu schaffen und einen möglichst freien Datenfluss zu gewährleisten. Doch wie sehen die Spitzenparteien der Bundestagswahl dieses Thema?
CDU/CSU
Die CDU / CSU denkt die Datenwirtschaft in einem europäischen Kontext und ruft hierfür ein Modernisierungsjahrzehnt aus. Grundsäulen dieser Modernisierung sollen vor allem eine „echte Datenunion“ sowie ein modernes Wettbewerbsrecht sein. Hierzu sollen neue Anreize zum Teilen von Daten – auch im öffentlichen Bereich – gesetzt werden. Für große Plattformen müsse geprüft werden, ob diese ihren Datenschatz zukünftig mit kleineren Wettbewerbern teilen müssen. Zudem sollen neue Regeln hinsichtlich der Interoperabilität von Systemen die Mitnahme eigener Daten (von Verbrauchern aber auch Unternehmer-Kunden) erleichtern.
Im Bereich der Digitalwirtschaft sollen neue Regeln für mehr Transparenz auf Plattformen sorgen und dem Verbraucher so mehr Klarheit über die Nutzung seiner Daten gewähren. Datenschutz dürfe dabei nicht als „Super-Grundrecht“ verstanden werde, welches jegliche Innovation hemmt und bürokratische Lasten für Unternehmen bedeutet. Vielmehr sollte auf EU-Ebene Klarheit über den Umfang und die Anwendung des Datenschutzes geschaffen werden, um so die europäische Datenwirtschaft voranzubringen. Auch in Deutschland sollten hierzu die (Länder-)Behörden gestrafft werden, um eine einheitliche Auslegung und Anwendung des Datenschutzrechtes zu gewährleisten. Weiterhin sollte zur Erleichterung der Unternehmens-Nachfolge der Übergang der Stamm(-Kunden) Daten erleichtert werden.
SPD
Die Sozialdemokraten ziehen mit einer klaren Mission in den Wahlkampf: Der Schaffung von digitaler Souveränität in Deutschland und Europa. Bis 2030 soll hierfür eine digitale Infrastruktur „auf Weltniveau“ realisiert werden, die auch die Bereiche Bildung und Verwaltung umfasst. Leitbild dabei soll dabei die digitale Mündigkeit der Bürgerinnen und Bürger sein. Als erster Schritt hierzu und zur Unterstützung gerade der mittelständischen Wirtschaft soll der Breitbandausbau nunmehr abgeschlossen werden.
Datensouveränität kann dabei nur durch die Begrenzung der Monopolstellungen großer Plattformen erreicht werden. Eine europäische „starke und präzise Regulierung“ soll dabei helfen, die digitale Macht einiger weniger zu beschränken. Auch das bestehende europäische Wettbewerbsrecht soll ausgebaut und vor allem einen stärkeren Fokus auf vorbeugende Kontrollen legen. Wenn diese Schritte nicht ausreichen sollen, müssen große Plattformen nach Ansicht der Sozialdemokraten notfalls auch entflochten werden.
Die SPD möchte zudem eine gemeinwohlorientierte Datenwirtschaft schaffen. Hierbei soll der Aufbau sicherer Infrastrukturen zum Teilen von Daten sowie partizipative Modelle wie etwa öffentliche Datentreuhänder helfen. Zur Gewährleistung eines umfassenden Datenschutzes sollen zudem neue Investitionen für Anonymisierungstechnologien zur Verfügung gestellt werden. Der Staat müsse insofern mit gutem Beispiel vorangehen und seinen Zugang zu Daten verbessern.
Plattformen sollen stärker als bislang in die Verantwortung genommen werden. Neben der Haftung für Steuerschulden sollen Plattformen auch für Lohn-, Sozial- und Umweltdumping zur Verantwortung gezogen werden.
Bündnis 90/Die Grünen
Bündnis 90/Die Grünen denken das Thema vor allem in Richtung einer umfassenden Plattform-Regulierung. Dienstleistungen von Plattformen und ihre Marktmacht sollen daher reguliert werden. Datenportabilität, Interoperabilität digitaler Dienste sowie offene Schnittstellen sollen für Plattformen verpflichtend gelten. Zudem sollen Plattformanbieter ihre automatisierten Entscheidungen, Vergleiche oder Preise transparent machen und erklären können. Zur besseren Durchsetzung dieser Pflichten schlagen Bündnis 90/Die Grünen – analog zu den Neuerungen der 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen - eine eigenständige Europäische Kartellbehörde mit einer darin etablierten Digitalaufsicht vor.
Weiterhin soll das Projekt „Europäische Cloud“ weiter vorangetrieben werden. Zum einem soll hierzu der Fluss von Daten – auch von personenbezogenen, aber anonymisierten Daten – rechtssicher ausgebaut werden. Weiterhin bedarf es nach Ansicht von Bündnis 90/Die Grünen klarer gesetzlicher Spielregeln für kooperative und dezentrale Datenpools und Datentreuhandmodelle wie zum Beispiel Datengenossenschaften, die eine gemeinsame und durch Kartellbehörden überprüfbare Nutzung dieser Daten ermöglichen.
Verpflichteter dieser neuen offenen Daten-Infrastruktur soll dabei auch der Staat werden; Unter dem Stichwort „Open Data“ fordern Bündnis 90/Die Grünen eine Partizipation der Allgemeinheit an durch öffentliche Stellen generierten Daten.
FDP
Für die Freien Demokraten geht die digitale Transformation nicht schnell genug voran. Aus diesem Grund sollte ein eigenes Ministerium geschaffen werden, müssten die relevanten Kompetenzen in einem einzigen Regierungsressort gebündelt werden.
Auch bei der FDP ist eine flächendeckende und hochleistungsfähige Mobilfunkanbindung Grundvoraussetzung aller Bestrebungen hin zu einer wirklichen digitalen Wirtschaft. Dabei sollen auch die Bürgerinnen und Bürger helfen: Mit der Vergabe von „Gigabit-Gutscheinen“ soll ein Teil der Kosten für die Umstellung auf neue Internet-Verbindungen dort finanziert werden, wo der Bedarf besonders hoch ist.
Auch die Verwaltung bedarf nach Ansicht der Freien Demokraten eines Updates: Zunächst müsse das Once-Only-Prinzip konsequent eingehalten und realisiert werden. Daten der Bürgerinnen und Bürger müssten danach nur einmal erhoben werden, um für alle zukünftigen Verwaltungsvorgänge verwendet werden zu können. Die Betroffenen sollen jederzeit Einblick in die Art der Verwendung ihrer persönlichen Daten haben können.
Mit Blick auf den europäischen digitalen Binnenmarkt sollen Geschäftsmodelle stärker als bislang skaliert werden können. Hierzu bedarf es eines Abbaus bürokratischer Hürden aber auch unterschiedlicher nationaler Gesetzgebung.
Wie zu erwarten, vertreten die Freien Demokraten eine „liberale Datenpolitik“. Die generelle Pflicht zum Teilen von Daten wird dabei abgelehnt. Stattdessen sollen sektorspezifische Regeln zum Teilen von Daten gegen ein entsprechendes Entgelt entwickelt werden. Dennoch: Die Nutzerinnen und Nutzer sollen ein Nutzungsrecht an den Daten erhalten, an deren Erzeugung sie mitgewirkt haben. Auch sollen die Bürgerinnen und Bürger endlich ihre digitale Mündigkeit erhalten, indem die Prinzipien der Datenportabilität und der Interoperabilität von Systemen etabliert werden.