Widerrufsbelehrung reloaded: Handlungsbedarf nicht nur für E-Commerce-Händler

Am 14. Juni hat der Deutsche Bundestag die europäische Verbraucherrechterichtlinie in nationales Recht umgesetzt. Die im Sommer 2014 in Kraft tretenden Änderungen betreffen primär den E-Commerce-Sektor, aber auch der stationäre Handel muss sich auf gesetzliche Neuerungen einstellen.

Berlin, 11.07.2013 — Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft werden mehr und mehr durch Europa geprägt. Dies gilt im Besonderen für das Verbraucherrecht. Am 14. Juni hat der Deutsche Bundestag die europäische Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU in nationales Recht umgesetzt. Der Umsetzungsspielraum beim deutschen Gesetzgeber war dabei nicht allzu groß, da die Verbraucherrechterichtlinie einen Vollharmonisierungsansatz mit nur wenigen Öffnungsklauseln vorsieht. Die neuen Regelungen finden sich nun vor allem im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und seinem Einführungsgesetz (EGBGB). Sie gelten nicht nur für den Fernabsatz. Auch der stationäre Handel muss sich auf gesetzliche Neuerungen einstellen.

Neben rein redaktionellen Änderungen und Klarstellungen dient die Umsetzung der Rechtsvereinheitlichung. Dies liegt im Interesse insbesondere der deutschen E-Commerce-Händler, deren Wettbewerbsposition sich damit verbessert.

Im Einzelnen sind u.a. folgende Neuerungen umzusetzen:

  • Neues Widerrufsrecht ab 13.06.2014: Mit der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie gilt künftig europaweit ein einheitliches Widerrufsrecht mit einer Widerrufsfrist von 14 Tagen. Um das Widerrufsrecht auszuüben, muss der Verbraucher eine eindeutige Erklärung abgeben. Dies ist auch mündlich möglich, allerdings für den beweispflichtigen Verbraucher schwer nachzuweisen. Die bloße Rücksendung der Ware reicht indes nicht aus. Ferner wird ein gesetzliches Musterformular für die Widerrufserklärung bereitgestellt. Auch der Unternehmer wird verpflichtet, dem Verbraucher ein Widerrufsformular bereitzustellen, welches der Verbraucher im Widerrufsfall ausfüllen und an den Unternehmer schicken kann.Das bislang gesetzlich als Alternative vorgesehene Rückgaberecht entfällt.

Abgeschafft wird auch das bislang noch in Deutschland geltende "unendliche Widerrufsrecht" im Falle fehlender oder mangelhafter Belehrung. Zukünftig erlischt das Widerrufsrecht spätestens 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss.

  • Ausnahmen vom Widerrufsrecht: Bislang sah das Gesetz Ausnahmen vom Widerrufsrecht vor allem für Waren vor, die nach einem Widerruf nicht mehr verkehrsfähig sind, also vom Verkäufer nicht mehr oder nur mit erheblichen Einschränkungen angeboten werden können (Waren, die nach Kundenspezifikation gefertigt wurden oder ihrer Natur nach nicht für einen Widerruf geeignet sind). Diese gesetzliche Formulierung führte aber zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Das neue Recht bringt mehr Klarheit. Neben den bisherigen Ausnahmen sind ausdrücklich folgende Ausnahmen vorgesehen:
  1. Ware, die nach der Lieferung aufgrund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurde
  2. versiegelte Ware, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet ist, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde;
  3. alkoholische Getränke, deren Preis bei Vertragsschluss vereinbart wurde, die aber frühestens 30 Tage nach Vertragsschluss geliefert werden können und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat.
  4. Digitale Inhalte (beispielsweise Musik oder Filme zum Download).
  • Kostentragung für den Widerrufsfall: Der Unternehmer ist im Widerrufsfall verpflichtet, dem Verbraucher die Kosten der Hinsendung zu erstatten. Dies ist nun eindeutig geregelt. Anders als bislang besteht der Erstattungsanspruch jedoch nur im Umfang der Kosten des Standardversands (nicht Expresslieferung, Nachname).
Auch hinsichtlich der Kosten der Rücksendung wird durch die gesetzliche Neuregelung eine Änderung zu Gunsten der Unternehmer eingeführt. Nach bisherigem Recht konnten die Kosten der Rücksendung im Widerrufsfall nur dann auf den Verbraucher abgewälzt werden, wenn der Wert der Ware 40 Euro nicht überstiegen hat, eine entsprechende Widerrufsbelehrung unter Hinweis auf die Kostentragungspflicht verwendet worden war und eine zusätzliche Vereinbarung mit dem Verbraucher über diese Kostentragungsregelung bestanden hat.
Nach neuem Recht hat der Verbraucher künftig unabhängig vom Wert der Ware die Rücksendekosten zu tragen, es sei denn, der Unternehmer hat den Verbraucher nicht über diese Rechtsfolge belehrt oder er hat sich bereit erklärt, diese Kosten zu tragen. Letzteres wird sicherlich häufig der Fall sein, da gerade im E-Commerce sich die verschiedenen Anbieter über die angebotenen Dienstleistungen (kostenfreie Rücksendung etc.) differenzieren.


  • Änderungen bei Belehrungs- und Hinweispflichten: Auch bei den Verpflichtungen zur Aufklärung des Verbrauchers gibt es Neuerungen:
  1. Angaben zum Lieferzeitpunkt müssen genauer erfolgen. Soweit möglich, ist ein genauer Liefertermin zu benennen.
  2. Sofern mit bestimmten Zahlungsarten Zusatzkosten verbunden sind (z.B. Kreditkartengebühren), dürfen diese auch künftig dem Verbraucher auferlegt werden. Dies darf jedoch nur noch in dem Umfang erfolgen, wie sie auch tatsächlich entstanden sind. Darüber hinaus muss der Unternehmer dem Verbraucher zumindest ein zumutbar zu nutzendes unentgeltliches Zahlungsmittel als Zahlungsart bereitstellen.
  3. Zusatzleistungen, die neben der Hauptleistung vom Unternehmer erbracht werden, sind künftig nur noch dann zu vergüten, wenn darüber eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wurde. Die gesetzliche Neuregelung sieht ausdrücklich vor, dass bei Fernabsatzverträgen voreingestellte Checkboxen/Tickboxen für Zusatzleistungen nicht mehr verwendet werden dürfen. Dies gilt beispielsweise für Zusatzgarantien, Lieferoptionen oder sonstige kostenpflichtige Zusatzleistungen.
  4. Bei Fragen oder Erklärungen zu einem zwischen Verbraucher und Unternehmer geschlossenen Vertrag bedürfen künftig keine Zusatzkosten mehr für die telefonische Hotline berechnet werden, die über die reinen Verbindungskosten hinausgehen.
  5. Bei Fernabsatzverträgen wird künftig eine Vertragsbestätigung Pflicht. Innerhalb einer angemessenen Frist nach Vertragsschluss, spätestens jedoch bei Lieferung der Ware muss der Unternehmer dem Verbraucher künftig den Vertragsinhalt wiedergeben.

Die neuen Regelungen treten am 13.06.2014 in Kraft.

Die Umsetzung der EU-Verbraucherrechterichtlinie in deutsches Recht ist im Großen und Ganzen gelungen. Sie sorgt durch die neu eingeführte zeitliche Begrenzung des Widerrufsrechts für mehr Rechtssicherheit bei den Unternehmen.

Das neue Gesetz bringt aber auch Probleme mit sich. So treffen die Unternehmen in Zukunft eine Vielzahl von zusätzlichen Informationspflichten, deren Erfüllung aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES dem Verbraucher nur wenig nützen, für den Händler aber eine nicht unerhebliche Zusatzbelastung darstellt. DER MITTELSTANDSVERBUND wird sich vor diesem Hintergrund dafür einsetzen, dass die "Flut" an Zwangsinformationen eingedämmt wird.

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an:

Dr. Marc Zgaga
m.zgaga@mittelstandsverbund.de

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