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Grünen-Leak: "Freihandelsabkommen bedroht Demokratie in Europa"

Die Kritik der Grünen an dem TTIP-Freihandelsabkommen mit den USA ist nicht neu. Mit der Veröffentlichung von geheimen Rats-Dokumenten auf einer eigens dafür eingerichteten Internetseite sorgt die Europaparteispitze der Grünen jetzt für neuen Zündstoff.

Brüssel, 11.03.2014 — "TTIP droht der Demokratie die soziale und ökologische Kontrolle über den Binnenmarkt zu entziehen." Dieses Zitat des Grünenpolitikers, Sven Giegold, ist auf der Internetseite www.ttip-leak.eu zu lesen. Es ist aber nicht dieses Zitat, was für den politischen Zündstoff sorgt. Auf der extra dafür eingerichteten Internetseite veröffentlichte die Spitze der Europa-Grünen am 7. März ein geheimes Dokument mit den Leitlinien des EU-Ministerrates für die Verhandlungen mit den USA. Ausführliche Kommentare zu den einzelnen Abschnitten werden gleich mitgeliefert. Bislang wurden alle für die Verhandlungen wesentlichen Dokumente von den Beteiligten – darunter auch die deutsche Bundesregierung - unter Verschluss gehalten.

Zur Erklärung dieses Tabubruchs verweisen die Grünenpolitiker auf die Intransparenz des Verhandlungsverfahrens und die fehlende Einbindung des EU-Parlaments in den Verhandlungsprozess. Seit Juni 2013 haben bereits drei Verhandlungsrunden zwischen den USA und der EU stattgefunden. Richtig ist, dass die EU-Kommission eine Homepage mit Hintergrundinformationen eingerichtet hat und die Öffentlichkeit auf Veranstaltungen über den Stand der Verhandlungen informiert. Richtig ist jedoch auch, dass diese Informationen bislang relativ oberflächlich waren.

Die Kommission rechtfertigt ihre spärliche Informationspolitik damit, dass dies bei der Verhandlung von Handelsübereinkommen gängige Praxis sei – eine Auffassung, die von den Grünen offenbar nicht geteilt wird. Kurz vor dem Auftakt der vierten Verhandlungsrunde vom 10. bis zum 14. März setzen sie mit der Veröffentlichung des Basisdokuments der Verhandlungen ein klares Zeichen für eine stärkere Einbindung der Öffentlichkeit.


Worum geht es bei TTIP eigentlich?

Die Abkürzung steht für Transatlantic Trade and Investment Partnership. Das Abkommen hat die Abschaffung von Handelshemmnissen zwischen den USA und der EU zum Ziel. Bezogen auf Deutschland schätzt die Europäische Kommission ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent pro Jahr. Dabei sollen vor allem der Verkehr von Waren und Dienstleistungen verbessert und die Investitionen in die jeweils andere Rechtsordnung geschützt werden. Da die Zölle zwischen den USA und der EU bereits jetzt relativ gering sind, werden sich die Verhandlungen auf den Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse konzentrieren.

Im Bereich der Dienstleistung haben sich die Verhandlungspartner das ehrgeizige Ziel einer autonomen "Liberalisierung auf dem höchsten Liberalisierungsniveau" vorgenommen. Hierzu sollen Konzepte für ein transparentes und unparteiliches System der Zulassungs- und Qualifikationserfordernisse erarbeitet werden.

Bezogen auf den Warenverkehr sollen Verfahren der Anerkennung der Gleichwertigkeit sowie die Vereinheitlichung technischer Normen verhandelt werden. Hiermit sollen Dopplungen in den Prüfungs- und Zertifizierungsverfahren vermieden werden. Dies könnte - nach der Rechnung der Verhandlungspartner - zu einer erheblichen Reduzierung der Kosten für den Export von Produkten führen.

Darüber hinaus sollen Investitionen unter einen besonderen Schutz gestellt werden. Wichtigster Aspekt hierbei ist die Einrichtung eines Streitbeilegungsmechanismus. Damit sollen Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten vor Schiedsgerichten verhandelt werden können. Gerade dieses Vorhaben stößt in der öffentlichen Wahrnehmung auf großen Widerstand. So wird befürchtet, dass Investitionen beispielsweise in Bereichen der staatlichen Daseinsvorsorge nach dem Abkommen möglich sein könnten. Staaten, die dies verbieten, könnten dann vor den Schiedsgerichten verklagt werden. Faktisch werde damit ein Sondergerichtsstand für Unternehmen eingeführt.

"Abseits der Frage, ob eine weitere Privatisierung sensibler Sektoren tatsächlich politisch wünschenswert ist, sollte darüber hinaus gefragt werden, warum ein solcher starker Investitionsschutz überhaupt notwendig ist", sagt Tim Geier, Referatsleiter des MITTELSTANDSVERBUND-Büros in Brüssel. Historisch stamme dieses Konzept aus Verhandlungen mit Drittstaaten, deren Rechtsordnungen relativ schwach ausgeprägt sind und über wenig effektive Mechanismen zur Durchsetzung von Eigentumspositionen verfügen. "In solchen Fällen macht ein umfassender und die jeweilige Rechtsordnungen ergänzender Investitionsschutz durchaus Sinn", erklärt Geier. Ob dieser Maßstab jedoch auch auf das Verhältnis EU-USA angewandt werden sollte, sei mehr als fraglich.

Als weiteren Denkanstoß stellen die Grünenpolitiker eine Informationsbroschüre auf der Homepage zur Verfügung, in der das geplante Abkommen kritisch beleuchtet wird. Das Papier ordnet TTIP in den Kontext der bisherigen vergleichbaren internationalen Abkommen ein und vergleicht die Konzepte zur Regulierung von Waren und Dienstleistungen in den USA und der EU. Neben vielen plakativen Aussagen behandelt das Papier dennoch die meisten Aspekte des geplanten Übereinkommens und bietet eine gute Grundlage für die weiteren Diskussionen.

Ein rasches Ende der Verhandlungen ist bislang nicht abzusehen. Optimistische Schätzungen gehen von einem Abschluss der Verhandlungen bis Ende 2015 aus. In der politisch aufgeheizten Diskussion gilt es nunmehr, die wesentlichen Aspekte von TTIP nicht aus den Augen zu verlieren. In den Verhandlungen werden auch neue Konzepte für den Warenverkehr über den Atlantik diskutiert – ein für Verbundgruppen wichtiges Thema, auf das sich DER MITTELSTANDSVERBUND in der weiteren Diskussion konzentrieren wird.


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