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Update Mindestlohn: keine Besserung im Kabinettsentwurf

Die Bundesregierung hat am 2. April den Gesetzentwurf zum gesetzlichen Mindestlohn verabschiedet und damit das parlamentarische Verfahren eröffnet. Die grundsätzlichen Kritikpunkte des MITTELSTANDSVERBUNDES zum Referentenentwurf bleiben bestehen.

Berlin, 09.04.2014 — Bereits das bisherige Verfahren unter Federführung von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles zeigte deutlich: Hier ist kein wirklicher Dialog mit der Wirtschaft gewünscht. Branchendialog und Anhörungsverfahren zum Referentenentwurf wurden im Eiltempo absolviert, Anregungen wurden weitestgehend ignoriert.

Das "Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie" soll noch vor der Sommerpause den Bundestag passieren, so dass der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro zum 01.01.2015 in Kraft treten kann. DER MITTELSTANDSVERBUND setzt nun auf Schadensbegrenzung im parlamentarischen Verfahren und ist hierzu im intensiven Dialog mit den Abgeordneten.

Durch die kaum differenzierte Anwendung des Mindestlohns auf alle Arbeits- und auch bestimmte Lernverhältnisse drohen Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt und für das Bildungssystem. Vor allem setzt der aktuell vorliegenden Entwurf Fehlanreize für junge Erwachsene ohne jegliche Qualifikation, statt einer Berufsausbildung eine ungelernte Tätigkeit zum Mindestlohn anzustreben.

Von der öffentlichen Diskussion unbeachtet, aber umso gefährlicher sind die im Entwurf enthaltenen Bürokratielasten, Regelungen zu Haftung und Ordnungswidrigkeiten sowie zu befürchtende Auswirkungen auf übliche Arbeitsvertrags- und Tarifregelungen. Insbesondere folgende Punkte sind als kritisch zu bewerten:

  1. Arbeitszeitkonten

    Die unregelmäßige Verteilung der Arbeitszeit bei gleichbleibender Monatsvergütung ist in verschiedenen Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträgen üblich. Dabei ist rechnerisch möglich, dass in einem Monat mit besonders hoher Arbeitszeit der durchschnittliche Stundenlohn unter 8,50 EUR fällt (§ 2 Abs.2 MiLoG).

    Der Gesetzentwurf sieht dazu vor, dass der Mindestlohn im Jahresdurchschnitt erreicht werden muss. Da viele Tarifverträge (sowie Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge) nicht nur einen Ausgleichszeitraum von 52 Wochen, sondern auch die Möglichkeit zur Übertragung von Plus- oder Minusstunden in den nächsten Abrechnungszeitraum vorsehen, ist fraglich, ob diese Praxis in Zukunft Bestand haben kann.
  2. Unabdingbarkeit des Mindestlohns

    Alle Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken bzw. ausschließen, sollen künftig unwirksam sein; ein Verzicht des Arbeitnehmers ist nur durch gerichtlichen Vergleich möglich (§ 3 MiLoG).

    Damit stehen alle tariflichen und arbeitsvertraglichen Verfallklauseln für Mitarbeiter aller Gehaltskategorien in Frage. Auch Aufhebungsverträge mit dem wechselseitigen Verzicht auf Ansprüche sind faktisch unmöglich.
  3. Haftung des Auftraggebers

    Ein Unternehmer, der einen Werkvertrag oder Dienstvertrag beauftrag, haftet wie ein Bürge für die Mindestlohnzahlung an dessen Arbeitnehmer. Die Haftung wird zudem auf die vom Dienstleister/Werkvertragsunternehmen beauftragten Subunternehmen. Entgehen kann man der Haftung nur, indem man nachweist, dass man weder Kenntnis noch „fahrlässige Unkenntnis“ von den Pflichtverstößen der beauftragten Unternehmen hatte. (§ 13 MiLoG)

    Damit hat die Bundesregierung die im Referentenentwurf enthaltene Regelung verschlimmbessert: Dort war zwar jede Möglichkeit der Haftungsbegrenzung ausgeschlossen, aber die Haftung war nur auf den Nettolohn bezogen. Nun können auch die Sozialversicherungen und Finanzbehörden alle Auftraggeber eines z.B. insolventen Unternehmens in Anspruch nehmen.

    Diese Haftungsvorschrift ist vollkommen absurd. Kein Unternehmen, besonders kein kleineres Unternehmen, kann gegenüber allen Vertragspartnern (und deren Vertragspartnern!) entsprechende Auskunfts- und Einsichtsrechte hinsichtlich dessen Lohnbuchhaltung durchsetzen, um auch nur die Chance auf eine Haftungsbegrenzung zu haben. Der administrative Aufwand ist schier unvorstellbar. Diese Haftungsvorschrift muss gestrichen werden.
  4. Arbeitszeiten: Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten

    Arbeitgeber sollen Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aller geringfügig und kurzfristig Beschäftigten sowie für Beschäftigte der im SchwarzarbeitsbekämpfungsG genannten Branchen aufzeichnen und diese Dokumente mindestens zwei Jahre vorhalten (§ 17 Abs. 1 MiLoG).

    Bislang müssen nach dem Arbeitszeitgesetz lediglich Arbeitszeiten dokumentiert werden, die werktäglich über acht Stunden hinausgehen. Eine allgemeine Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeiten gibt es nicht. In vielen — gerade kleinen und mittleren Unternehmen — sind deshalb keine Zeiterfassungssysteme vorhanden. Nun müssten diese gerade für die Mitarbeitergruppen eingerichtet werden, bei denen der Aufwand im Verhältnis zur Arbeitszeit besonders hoch ist.
  5. Vergabe öffentlicher Aufträge

    Unternehmen können auf unbestimmte Zeit von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden, wenn gegen sie ein Bußgeld von mind. 2.500 EUR nach dem MiLoG verhängt wurde. Gleiches gilt bereits vor Durchführung eines Bußgeldverfahrens, wenn „angesichts der Beweislage kein vernünftiger Zweifel an einer schwerwiegenden Verfehlung“ besteht. (§ 19 MiLoG)

    Angesichts des Bußgeldrahmens (bis 500.000 EUR) ist der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen bereits für kleinste Vergehen zu erwarten. Da die Bußgelder auch für Vergehen Dritter (z.B. beauftragter Dienstleister) verhängt werden können, kann auch das Fehlverhalten Dritter zum Ausschluss von der Vergabe führen. Der Ausschluss auf Verdacht — also vor Durchführung eines Verfahrens - ist unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten abenteuerlich.
  6. Bußgeldvorschriften

    Bei Verstößen gegen das MiLoG (Mitwirkungspflichten bei Kontrollen, Meldepflichten, Dokumentationspflichten,…) droht ein Bußgeld von bis zu 500.000 EUR. Auch Verstöße beauftragter Unternehmen oder deren Subunternehmen gegen die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns ziehen ein Bußgeld nach sich. (§ 21 MiLoG)

    Die Bußgelder sind vollkommen unverhältnismäßig. Die Bestrafung des Auftraggebers für Fehlverhalten des Auftragnehmers ist abzulehnen.

Den kompletten Gesetzentwurf finden Sie zum Download hier.

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