Stilllegung der Gasinfrastruktur darf Mittelstand nicht gefährden
Mit der Verabschiedung des viel diskutierten Gebäudeenergiegesetzes (GEG/ „Heizungsgesetz“) und dem Wärmeplanungsgesetz wurden wichtige Weichen für die Dekarbonisierung von Heizungssystemen gestellt. In der Folge richtet das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) nun den Fokus auf die dazugehörige Gas-Infrastruktur. Von den Plänen vorzeitiger Stilllegung von Gasleitungen können auch kleine und mittlere Unternehmen betroffen sein. Ein aktuelles Dokument aus dem BMWK lässt aufhorchen.
Berlin, 4. April 2024 – Deutschland steht vor einem einschneidenden Wandel der Energieinfrastruktur: Die Stilllegung von Teilen der Gasnetze droht schon bald Realität zu werden. Das Gasverteilnetz in Deutschland, welches eine Gesamtlänge von rund 500.000 Kilometern aufweist, soll gemäß Bundesklimaschutzgesetz bis 2045, mancherorts sogar deutlich früher, „klimaneutral betrieben“, in anderen Worten: abgeschaltet werden. Einzelne Bundesländer streben Treibhausgasneutralität bis 2040 an. Ziel ist die vollständige Umstellung auf eine fossilfreie Wärmeversorgung vornehmlich durch Wärmepumpen oder Fernwärme. Dadurch würde das Erdgasnetz überflüssig oder dessen Betrieb für eine immer geringere Zahl an Verbrauchern unbezahlbar.
Treiber dieser Initiativen sind die EU-Klimaschutzziele und die neue EU-Gasmarkt-Richtlinie, die von Verteilnetzbetreibern nun sogenannte "Network Decommissioning Plans" verlangt. Die Bundesnetzagentur empfiehlt den Betreibern bereits, Anlagen schneller abzuschreiben, um die Abschaltung ohne zu große außerordentliche Verluste zu ermöglichen. Eine Refinanzierung wird durch höhere Netzentgelte und damit steigenden Kosten für Verbraucher und Unternehmen möglich. Viele mittelständische Unternehmen sind in ihrer Produktion und ihrem Betrieb auf eine zuverlässige und kostengünstige Energieversorgung angewiesen. Die neue Unsicherheit über zukünftige Energiequellen und -kosten sowie die nötigen Investitionen in alternative Technologien bedeuten nicht nur aufwändige operative Umstellungen, sondern auch massive finanzielle Risiken. Die Bundesnetzagentur sieht zwar einen "moderaten" Anstieg der Entgelte vor, um die Wirtschaftlichkeit der Netzbetreiber sicherzustellen, doch was moderat für Großunternehmen sein mag, kann für kleinere mittelständische Unternehmen bereits eine existenzgefährdende Belastung darstellen.
Immer wieder wird in einschlägigen Kreisen und in den Medien die Frage nach einem Weiterbetrieb der vorhandenen Gas-Infrastruktur durch eine sukzessive Umstellung auf Wasserstoff diskutiert. Die Position des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ist an dieser Stelle jedoch eindeutig und auf Abkehr von den hochpreisigen Gasnetzstrukturen in Deutschland ausgerichtet. Begründet wird das damit, dass Wasserstoff als alternative Energiequelle nicht in ausreichenden Mengen und schon gar nicht zu akzeptablen Preisen verfügbar ist, um eine umfassende Versorgung und Umstellung von Gasheizungen auf Wasserstoff sicherzustellen. Experten warnen schon lange vor den hohen Kosten von grünem Wasserstoff bei einer insgesamt geringen Effizienz beim Heizen.
Aktuell beziehen noch rund die Hälfte aller deutschen Haushalte ihre Wärme aus Gasheizungen. Dieser Anteil soll zukünftig auf unter 20 Prozent reduziert werden, mit dem Ziel, die Gasversorgung in vielen Bereichen innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte zu beenden. Energieanbieter wie beispielsweise die Stadtwerke Augsburg nehmen bereits jetzt eine Bestandsaufnahme ihrer Gasnetzinfrastrukturen vor, um abzusehen, welche Segmente bald obsolet sein könnten. Mit einer Frist von rund 10 Jahren plant Augsburg sogar einen früheren Umstieg als gesetzlich vorgesehen und leitet aktuell die notwendigen Schritte dafür ein. Dieser frühzeitig gestartete Übergang spiegelt die Dringlichkeit der Situation wider und setzt andere Versorgungsunternehmen unter Zugzwang. Augsburg plant derzeit ein Wärmenetz als Alternative zum Gasnetz und demonstriert damit die proaktive Umstellung auf erneuerbare Energien. Auch wenn neue Gasanschlüsse in Zukunft nicht mehr gewährt werden sollen, stehen viele Kunden, die kürzlich in Gasheizungen investiert haben, nach der für sie überraschenden Ankündigung der Stadtwerke vor einem finanziellen Desaster. Das Problem wird sich massiv ausbreiten, wenn das Augsburger Modell Schule machen sollte.
Die Stilllegungsankündigung der Gasinfrastruktur in Deutschland wirft für den Mittelstand die Frage auf wie sie ihre Energieversorgung möglichst ohne wirtschaftliche Einbußen umstellen können. Die Anpassung der Abschreibungsmodalitäten seitens der Verteilnetzbetreiber ist für sie selbstverständlich keine Lösung. Notwendig ist vielmehr ein umfassender Transformationsplan, der Investitionssicherheit gewährt. DER MITTELSTANDSVERBUND fordert von der Politik hierzu ein verlässliches Konzept mit realistischen Übergangsphasen für mittelständische Unternehmen, das diese nicht überfordert und damit der deutschen Wirtschaft gerade mitten in der Transformationsphase das Rückgrat bricht.