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Einschränkung des Abmahn-Risikos: EuGH verneint Pflicht zur Angabe einer Telefonnummer

Wird eine Vertrag mit einem Verbraucher im Fernabsatz abgeschlossen, so müssen Händler nicht zwingend auch eine Telefonnummer als Kontaktmöglichkeit angeben. So lässt sich eines der jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofs zusammenfassen. Ob damit auch eine Erleichterung für den mittelständischen Online-Handel einhergeht? Damit wagt das Gericht mehr Innovation in der Kundenkommunikation.

Brüssel, 10.07.2019 – Der Europäische Gerichtshof entschied gestern in einer Vorlagefrage des Bundesgerichtshofs über die Frage, ob Online-Händler – in diesem Fall Amazon – in jedem Fall verpflichtet ist, dem Verbraucher eine Telefonnummer als Kontaktmöglichkeit mitzuteilen.

Einschränkung des Abmahn-Risikos: EuGH verneint Pflicht zur Angabe einer TelefonnummerDer Ausgangsfall

Amazon bietet seinen Kunden zwar eine Service-Hotline an, diese ist jedoch erst nach mehren Klicks auffindbar. Eine direkte Kontaktmöglichkeit haben Kunden hingegen in Form eines Live-Chats sowie einer Rückruf-Option. Die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) bemängelte den Internet-Auftritt von Amazon Deutschland. Dies vor allem unter Berufung auf das bestehende deutsche Recht; danach muss ein Online-Händler „eine Telefonnummer und gegebenenfalls seine Telefaxnummer und E-Mail-Adresse“ dem Kunden mitteilen. Nach der dem deutschen Recht zugrunde liegenden europäischen Fernabsatzrichtlinie muss die Telefonnummer nur „gegebenenfalls“ mitgeteilt werden.

Die Auffassung der Vorinstanzen

Bereits die Vorinstanzen verneinten eine grundsätzliche Verpflichtung zur Angabe einer Telefonnummer.  Danach erfüllt Amazon die vorvertraglichen Informationspflichten dadurch, dass das Unternehmen den Verbrauchern über sein Rückrufsystem und die Ermöglichung der Kontaktaufnahme durch Chat oder E‑Mail ausreichende Kommunikationsmöglichkeiten anbiete. Der Bundesgerichtshof legte anschließend dem EuGH die Frage vor, wie die Fernabsatzrichtlinie in diesem Zusammenhang auszulegen sei.

Die Auslegung des EuGH

Der EuGH bestätigte die Auffassung der Vorinstanzen. Die deutsche Regelung, nach der immer eine Telefonnummer im Fernabsatz mitzuteilen sei, widerspreche dem Sinn und Zweck der Fernabsatzrichtlinie. Gerade mit Blick auf kleine und mittlere Unternehmen könnte eine solche Pflicht aufgrund der mutmaßlich hohen Kosten schlicht unverhältnismäßig sein. Der EuGH unterstrich jedoch, dass Unternehmer verpflichtet sind, eine schnelle effiziente Kontaktaufnahme des Verbrauchers zu gewährleisten. Ob dies bei Amazon im vorliegenden Fall gewährleistet ist, bleibt Sache des nunmehr erneut befassten Bundesgerichtshofs.   

Fazit

Gerade mittelständische Online-Händler können mithin aufatmen, denn allein die Tatsache, dass auf der Internetseite kein Telefonkontakt angegeben ist, wird künftig kein Grund für eine Abmahnung sein können. Danach wird es kompliziert. Dennoch ist unklar, welches Kommunikationsmittel die deutschen Gerichte künftig als „schnell und effizient“ im Sinne der EuGH-Rechtsprechung ansehen werden. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass der EuGH wirtschaftliche Gesichtspunkte effizient in seine Entscheidung eingebunden hat. Zudem lässt das oberste Europäische Gericht mehr Innovation in der Kundenkommunikation zu. Richtig ist auch: Mit dem Urteil wurde gerade mittelständischen Händlern mehr Entscheidungsfreiheit in ihrer Wahl der Kontaktmittel gewährt. Zudem wurde der Abmahn-Druck ein wenig verringert. Eine ordentliche Kundenkommunikation ist jedoch die Grundvoraussetzung für Kundenbindung und erfolgreiche Retail-Konzepte. Gerade hierbei können Verbundgruppen-Mitglieder mit einem Mix aus gemeinsamen Online-Auftritten in Kombination mit stationären Geschäften glänzen. Es bleibt nunmehr zu hoffen, dass auch der BGH diesem vom EuGH gesetzten innovationsfreundlichen Trend folgen wird.

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