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Polnische Ratspräsidentschaft: Bürokratieabbau als Kernthema

Zum Jahresbeginn wechselt die Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union turnusmäßig in polnische Hände. Welche Prioritäten werden in der polnischen Ratspräsidentschaft gesetzt? DER MITTELSTANDSVERBUND ordnet ein.

Mit Beginn des neuen Jahres wechselt die Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union turnusmäßig in polnische Hände. Damit endet zugleich die ungarische Ratspräsidentschaft, in der Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán unter anderem durch eine selbsterklärte „Friedensmission“ für negative Schlagzeilen sorgte.  

Alle sechs Monate rotiert der Vorsitz im Rat der Europäischen Union, in dem die Minister aller Mitgliedstaaten tagen. Zu den wichtigsten Aufgaben des Ratspräsidenten gehören die Organisation und Leitung der Tagungen der verschiedenen Ratsformationen, die Vermittlung zwischen den EU-Organen bei Meinungsverschiedenheiten in der Politikgestaltung sowie die Vertretung des Rates gegenüber Drittstaaten. Die Ratspräsidenten können somit zwar keine eigene Politik durchsetzen, haben aber einen großen Einfluss auf die Priorisierung der Themen. Diese lässt sich aus dem entsprechenden Programm ableiten, welches der MITTELSTANDSVERBUND für Sie zusammengefasst hat.

Starker Fokus auf Sicherheit

Der Fokus des Programms lässt sich anhand des Titels „Security, Europe!“ bereits erahnen. Von sieben identifizierten Sicherheitsdimensionen wird jedoch vor dem Hintergrund des derzeitigen spannungsgeladenen geopolitischen Klimas der externen Sicherheit die größte Bedeutung zugeschrieben. So sollen während der polnischen Ratspräsidentschaft „konzertierte und ambitionierte Maßnahmen“ im Bereich der Gemeinsamen Sicherheit und Verteidigung ergriffen werden, um die europäische Verteidigungsbereitschaft angesichts der fortwährenden russischen Aggression in der Ukraine Einhalt zu erhöhen. Dies impliziert insbesondere gemeinsame Anstrengungen im Bereich der gemeinsamen Beschaffung, für deren Finanzierung die bereits im Draghi-Bericht vorgeschlagenen Eurobonds als „EU-Schulden“ ins Spiel gebracht werden.

In den Zeitraum des polnischen Vorsitzes fällt zudem der Machtwechsel in den USA. Diesbezüglich schlägt das Programm diplomatische Töne an. So wird, ohne ins Detail zu gehen, die Bedeutung von Präventivmaßnahmen zur Verhinderung handelspolitischer Konflikte betont. Der künftige US-Präsident Trump hat wiederholt die Einführung hoher Zölle auf europäische Waren in Aussicht gestellt, die insbesondere der exportorientierten deutschen Wirtschaft erheblichen Schaden zufügen könnten. Solche protektionistischen Maßnahmen auf EU-Ebene zu verhindern, ist umso schwieriger, als Trump als dezidierter Kritiker der EU gilt.

Bürokratieabbau als weiteres Kernthema

Positiv für die Verbundgruppen: Eine zweite Säule des polnischen Programms sind Maßnahmen, die die regulatorische Umwelt und damit die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen verbessern sollen. Vorschläge diesbezüglich sind etwa

  • Die Reduzierung von Berichtspflichten sowie die Vereinfachung von redundanter, inkonsistenter oder übermäßig verwaltungsaufwändiger Regulatorik. Den Aufschlag hierzu gab die Europäische Kommission im vergangenen Monat mit der sogenannten „Omnibus-Initiative“, in der regulatorische Pflichten im Kontext von CSRD, CS3D und der Taxonomie-Verordnung derzeit zusammengeführt werden.
  • Die Überprüfung bestehender Werkzeuge der Better Regulation-Initiative, um sicherzustellen, dass neue Rechtssetzung für Unternehmen als Adressaten der Gesetze künftig möglichst belastungsarm konzipiert werden. Hierzu gehört etwa eine konsequentere Gesetzesfolgenabschätzung oder die Entwicklung digitaler Instrumente wie digitale Systeme zur Erleichterung der Rechtskonformität.
  • Eine Bestandaufnahme und Überarbeitung der Regulierungsdichte der zahlreichen digitalen Vorschriften der letzten Jahre. Hierbei sollen insbesondere Meldepflichten für Unternehmen verringert werden sowie das Konzept einer einzigen digitalen Meldestelle, auch in Verbindung mit Pflichten aus der DSGVO, weiter ausgearbeitet werden.

Darüber hinaus will der polnische Ratsvorsitz vereinzelt Themen in den Blick nehmen, die insbesondere den Einzelhandel betreffen. Hierzu gehören

  • Bemühungen zur Schließung der Mehrwertsteuerlücke. Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland aufgrund steuerlicher Vergehen jährliche Mindereinnahmen von etwa 22 Milliarden Euro hat. Im Fokus liegen dabei vor allem Maßnahmen, die im Bereich des E-Commerce die korrekte Erhebung der Mehrwertsteuer ermöglichen sollen. Dies könnte beispielsweise eine verschärfte Regulierung elektronischer Schnittstellen bei Online-Marktplätzen oder verstärkte Kontrollen bei Importen aus Drittländern über den Fernabsatz umfassen.
  • Schritte zur weiteren Regulierung des europäischen Zahlungsverkehrsmarktes durch die Erweiterung der Payment Services Directive (PSD) und Payment Services Regulation (PSR). Entsprechende Maßnahmen in diesem Bereich könnte den Handel durch kostengünstigere und effizientere Zahlungsprozesse künftig begünstigen, jedoch zugleich Systemanpassungen für Banken zur Sicherstellung der Interoperabilität erfordern. In diesem Zusammenhang sind zudem Maßnahmen vorgesehen, die die Einführung des Digitalen Euros vorantreiben. Das Konzept wurde im Juni 2023 von der Europäischen Kommission vorgestellt, allerdings stockte zuletzt die weitere Ausführung des rechtlichen Rahmenwerks.
  • Die Verbesserung des Zugangs zu privatem Kapital sowie, damit zusammenhängend, Fortschritte in der Vollendung der Kapitalmarktunion. Diese wurde in den Berichten von Letta und Draghi als entscheidendes Vehikel zur zukünftigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Europa identifiziert.

Die polnische Ratspräsidentschaft hat sechs Monate Zeit, um ihre ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Im Anschluss wird Dänemark den Vorsitz übernehmen, bevor im ersten Halbjahr 2026 Zypern an der Reihe ist.

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Tim Geier | Geschäftsführer Büro Brüssel | DER MITTELSTANDSVERBUND
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