Referentenentwurf für zweites Jahressteuergesetz 2024 veröffentlicht: Eine steuerpolitische Überraschung mit Tücken
Am 10. Juli hat das Bundesfinanzministerium überraschend den Entwurf eines zweiten Jahressteuergesetzes 2024 veröffentlicht. Damit sollen unter anderem die Eckwerte des Einkommensteuertarifs und die Freigrenzen beim Solidaritätszuschlag an die Inflationsentwicklung angepasst werden. Gleichzeitig soll jedoch eine Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen eingeführt werden. Während die Anpassungen des Einkommensteuertarifs sehr angemessen sind, dürfte die Mitteilungspflicht für mehr Steuerbürokratie sorgen.
Berlin, 19.07.2024 – Unmittelbar zu Beginn der politischen Sommerpause hat das Bundesfinanzministerium am 10. Juli 2024 den Referentenentwurf eines sogenannten zweiten Jahressteuergesetzes 2024 (JStG 2024 II) veröffentlicht. Dies überraschte insofern, dass erst im Mai der Referentenentwurf des (ersten) Jahressteuergesetzes 2024 (JStG 2024) vorgelegt worden war, der seitdem zwar von der Bundesregierung beschlossen, aber noch nicht in den Bundestag eingebracht wurde. Zudem ist es ein Novum, dass in einem Jahr gleich zwei steuerliche Sammelgesetze unter der Bezeichnung „Jahressteuergesetz“ vorgelegt werden. Politisch lässt sich das ungewöhnliche Vorgehen teilweise dadurch erklären, dass die Koalitionsspitzen sich zunächst über die Eckpunkte des Haushalts einig werden mussten, bevor haushaltsrelevante Anpassungen wie der Inflationsausgleich bei der Einkommensteuer auf den Weg gebracht werden konnten.
Viele Anpassungen bei der Einkommensteuer, Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen soll kommen
Der MITTELSTANDSVERBUND hat im Rahmen der in diesem Fall sehr kurz angesetzten Verbändebeteiligung eine Stellungnahme eingereicht und dabei die Punkte hervorgehoben, die aus Perspektive des kooperierenden Mittelstands besonders wichtig sind. Konkret enthält der Referentenentwurf des JStG 2024 II folgende Maßnahmen:
- Anhebung des Grundfreibetrags im Rahmen der Einkommensteuer auf 12 084 Euro im Jahr 2025 und ab 2026 Anhebung auf 12 336 Euro; Anhebung des steuerlichen Kinderfreibetrags für den Veranlagungszeitraum 2025 auf 6 672 Euro und ab dem Veranlagungszeitraum 2026 Anhebung auf 6 828 Euro
- Anpassung aller übrigen Eckwerte des Einkommensteuertarifs für die Veranlagungszeiträume 2025 und 2026 (mit Ausnahme des Eckwerts der sogenannten „Reichensteuer“)
- Anhebung der Freigrenzen beim Solidaritätszuschlag im Rahmen der Einkommensteuer für die Veranlagungszeiträume 2025 und 2026
- Überführung der Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren: Die Steuerklasse IV bzw. Steuerklasse IV mit Faktor wären zukünftig die einzigen Steuerklassen für verheiratete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
- Einführung einer Mitteilungspflicht über innerstaatliche Steuergestaltungen
- Anpassungen bei den Regelungen für steuerbegünstigte Körperschaften, die sich zu politischen Fragen außerhalb ihres eigentlichen Satzungszwecks äußern
- Anhebung des Kindergeldes ab Januar 2025 von 250 Euro auf 255 Euro monatlich
- Steuerbefreiung der Stiftung Generationenkapital
- Digitalisierung der Sterbefallanzeigen
Verringerung der Steuerbürokratie muss Priorität haben
Aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES ist mit Blick auf den Referentenentwurf grundsätzlich zu kritisieren, dass das BMF erneut dem Anspruch der Bundesregierung, eine frühzeitige und angemessene Verbändebeteiligung zu ermöglichen, nicht gerecht wird: Die gesetzte Rückmeldefrist von lediglich fünf Arbeitstagen innerhalb der politischen Sommerpause ist mit einer hinreichenden fachlichen Prüfung sowie einer Beteiligung der Mitglieder nicht vereinbar. Auch inhaltlich ist das Vorgehen des BMF irritierend: So beinhaltet der Referentenentwurf zwar mit der inflationsbedingten Anpassung von Einkommensteuertarif und Solidaritätszuschlag sehr sinnvolle und auch aus der Perspektive kleinerer Unternehmen begrüßenswerte Maßnahmen. Diese werden jedoch verbunden mit der Einführung einer Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen. Bereits im Rahmen des Wachstumschancengesetzes vorgesehen, wurde diese dann im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens fallen gelassen. Dass das Vorhaben nun erneut aufgegriffen sowie im Rahmen des JStG 2024 II umgesetzt werden soll, würde den eigentlich angekündigten Bürokratieabbau in der Steuergesetzgebung hinfällig machen. Denn auch wenn nur sehr wenige Unternehmen im kooperierenden Mittelstand tatsächlich Steuergestaltungen im Sinne des Gesetzentwurfs nutzen, würde allein die Prüfung der jeweiligen Betroffenheit substanziellen Aufwand mit sich bringen.
Insgesamt kann der Referentenentwurf daher aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES nur in Teilen überzeugen und lässt die Frage offen, ob die Bundesregierung tatsächlich Bürokratieabbau und wachstumsfördernde Maßnahmen priorisieren möchte. Stattdessen sollte der Entwurf im Zuge des weiteren Gesetzgebungsverfahrens noch um weitere entlastende Maßnahmen ergänzt werden. Die vom BMF selbst eingesetzten Expertenkommissionen „Bürgernahe Einkommensteuer“ und „Vereinfachte Unternehmensteuer“ haben hierzu am 12. Juli 2024 geeignete Vorschläge vorgelegt. DER MITTELSTANDSVERBUND wird das Gesetzgebungsverfahren daher weiter aktiv begleiten und zu gegeber Zeit wieder darüber informieren.
Update: Der Referentenentwurf des JStG 2024 II ist zwischenzeitlich neben weiteren Einzelmaßnahmen im sogenannten „Steuerfortentwicklungsgesetz“ (SteFeG) aufgegangen. Der entsprechende Gesetzentwurf wurde bereits am 24. Juli 2024 vom Bundeskabinett beschlossen.