Was wird aus den Steuergesetzen der Ampel-Koalition?
Die Bundesregierung hat im laufenden Jahr mehrere Gesetzgebungsverfahren im Bereich der Steuerpolitik angestoßen, von denen einige bislang nicht zum Abschluss gebracht werden konnten. Nach dem Aus der Ampel-Koalition ist nun fraglich, ob diese noch rechtzeitig beschlossen werden.
Berlin, 04.12.2024 – Die Bundesregierung war mit einigem Elan in der Steuerpolitik ins Jahr gestartet und hatte – insbesondere im Zusammenhang mit der im Sommer gemeinsam beschlossenen Wachstumsinitiative – eine Reihe von Gesetzesvorhaben angestoßen. Dies war aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES auch mehr als nötig: Denn nur durch steuerrechtliche Vereinfachungen und eine Senkung der für die Unternehmen maßgeblichen Steuern können die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen tatsächlich verbessert werden. Doch mit dem abrupten Ampel-Aus Anfang November stehen nun große Fragezeichen vor allem hinter den Gesetzesvorhaben, die sich noch im parlamentarischen Verfahren befinden. Wir geben deshalb einen Überblick darüber, welche Gesetze noch zeitnah innerhalb der laufenden Legislaturperiode in Kraft treten könnten – und welche stattdessen offene Baustellen bleiben dürften.
Jahressteuergesetz 2024
Das Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) bündelt wie üblich zahlreiche, vielfach technische Änderungen in verschiedenen Bereichen des Steuerrechts. Wir hatten bereits im Frühjahr über den am 17. Mai veröffentlichten Referentenentwurf und die Stellungnahme des MITTELSTANDSVERBUNDES hierzu berichtet. Im September wurde der Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht und hat im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens noch einige Anpassungen erfahren. Da der Bundestag das JStG 2024 bereits am 18. Oktober mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen beschlossen hat, konnte das Gesetzgebungsverfahren hier noch rechtzeitig zum Abschluss gebracht werden. Der Bundesrat stimmte dem Gesetz am 22. November zu, sodass es wie geplant in Kraft treten kann.
In der Beschlussfassung fällt nicht zuletzt die ursprünglich geplante Reform der Umsatzbesteuerung von Bildungsleistungen – die sowohl für genossenschaftliche Bildungsträger als auch für Weiterbildungsmaßnahmen in Unternehmen generell relevant wäre – deutlich moderater aus. Zukünftig sind demnach „die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen“ umsatzsteuerbefreit. Das bisherige Bescheinigungsverfahren zwischen Einrichtung und zuständiger Landesbehörde für die entsprechenden Leistungen bleibt nun jedoch erhalten. Verzichtet wird demgegenüber auf die ursprünglich vorgesehene Vorgabe, dass seitens des Bildungsträgers keine systematische Gewinnererzielungsabsicht bestehen darf. Dies ist aus unserer Sicht zu begrüßen.
Ebenfalls entfällt in der Beschlussfassung die zuvor vorgesehene Einführung eines lohnsteuerlichen Mobilitätsbudgets, mit dem Zuschüsse des Arbeitgebers für alternative Formen der Mobilität abseits von ÖPNV und Dienstfahrzeugen hätten steuerfrei werden können. Die Bundesregierung wird stattdessen aufgefordert, Vorschläge über ganzheitliche steuer- und sozialversicherungsrechtliche Vereinfachungen bei Sachbezügen und Pauschalierungen bei Arbeitnehmereinkünften zu erarbeiten. Dies trägt ebenfalls den von uns geäußerten Vorbehalten hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit und der begrenzten Relevanz alternativer Formen der Mobilität abseits urbaner Räume Rechnung.
Steuerfortentwicklungsgesetz
Mit dem erst im Sommer angekündigten Steuerfortentwicklungsgesetz wollte die Ampel-Koalition im Rahmen ihrer Wachstumsinitiative zahlreiche steuerliche Entlastungen für Beschäftigte und Unternehmen auf den Weg bringen. Der am 24. Juli beschlossene Regierungsentwurf sah u.a. den Abbau der Kalten Progression durch die Anhebung des Grundfreibetrags, aller üblichen Eckwerte des Einkommensteuertarifs – mit Ausnahme der sogenannten Reichensteuer – sowie der Freigrenzen beim Solidaritätszuschlag für die Veranlagungszeiträume 2025 und 2026 vor. Zusätzlich war etwa die Fortführung und Ausweitung der Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und die Anpassung der Wertgrenzen bei der Bildung von Sammelposten auf bis zu 5.000 Euro vorgesehen. Diese und andere Maßnahmen hatte DER MITTELSTANDSVERBUND ausdrücklich begrüßt.
Auch wenn der Entwurf des Steuerfortentwicklungsgesetzes schon Ende September in den Bundestag eingebracht worden war, hat dieser darüber noch nicht final beschließen können. Durch das Ausscheiden der FDP aus der Bundesregierung fehlt SPD und Grünen nun eine eigene parlamentarische Mehrheit, um das Gesetz zu verabschieden. Auch wenn sie das Steuerfortentwicklungsgesetz zuvor als zentrales Vorhaben maßgeblich vorangetrieben hatte, ist nun unsicher, ob die FDP dem Gesetz in dieser Form zustimmen wird. Denn neben verschiedenen steuerlichen Entlastungen sah der Gesetzentwurf auch die Einführung einer Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen vor. Die CDU/CSU wiederum begrüßt zwar ebenfalls den Abbau der Kalten Progression und weitere Maßnahmen zugunsten der Unternehmen, sieht die Mitteilungspflicht jedoch gleichfalls kritisch. Zudem hat sie aus taktischen Gründen wenig Interesse, SPD und Grünen aus der Opposition heraus zur Verabschiedung des Gesetzes zu verhelfen. Jüngste Äußerungen lassen eine Zustimmung der Union daher sehr fraglich erscheinen.
Ein Beschluss des Gesetzes durch den Bundestag noch in dieser Legislaturperiode würde daher zwingend die Stimmen der FDP erfordern. Denkbar wäre vor diesem Hintergrund auch, dass einzelne Maßnahmen aus dem Steuerfortentwicklungsgesetz herausgelöst und separat beschlossen werden – allen voran der Abbau der Kalten Progression. DER MITTELSTANDSVERBUND hält dies für vordringlich, erwartet aber trotzdem spätestens von der neuen Bundesregierung weitere Entlastungen vor allem für kleine und mittlere Unternehmen.
Zweites Zukunftsfinanzierungsgesetz
Mit Blick auf die Unternehmen im kooperierenden Mittelstand zwar weniger relevant, aber zwecks einer Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dennoch wichtig ist das sogenannte Zweite Zukunftsfinanzierungsgesetz. In Anknüpfung an das erste Zukunftsfinanzierungsgesetzes im Jahr 2023 soll auch dieses Gesetzesvorhaben die Attraktivität des Finanzstandorts Deutschland erhöhen und gerade die Finanzierungsmöglichkeiten für junge wachsenden Unternehmen erweitern. Ein Referentenentwurf hierfür war im August veröffentlicht worden und basiert ebenfalls auf der Wachstumsinitiative. Der Regierungsentwurf wurde schließlich am 27. November vom Bundeskabinett – bereits ohne Beteiligung der FDP beschlossen. Zu den zentralen Maßnahmen gehört etwa eine Anhebung bei der Möglichkeit zur Übertragung von Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften auf 2 Mio. Euro, um größere Spielräume für betriebliche Reinvestitionen zu schaffen.
Auch wenn die Bundesregierung aus SPD und Grünen den Gesetzentwurf ohne Probleme beschließen konnte, sind die Chancen einer zeitnahen Verabschiedung im Bundestag noch offen. Zunächst müsste der Gesetzentwurf formal eingebracht werden, wobei nur noch wenige Sitzungstage vor der Neuwahl des Bundestages angesetzt sind. FDP und CDU/CSU dürften zwar inhaltlich keine Vorbehalte haben; dies garantiert aber keine Zustimmung zum Regierungsentwurf aus der Opposition heraus.
Einführung der E-Rechnungspflicht
Die Einführung einer obligatorischen E-Rechnung für inländische B2B-Umsätze wurde bereits mit dem Wachstumschancengesetz im März 2024 beschlossen und tritt grundsätzlich zum 1. Januar 2025 in Kraft – wobei Übergangsfristen nach Unternehmensgröße gelten. Hierfür hatte sich DER MITTELSTANDSVERBUND erfolgreich eingesetzt. Da das Gesetz zunächst viele praktische Fragen offenließ, veröffentlichte das Bundesfinanzministerium (BMF) schließlich im Oktober ein Anwendungsschreiben. Hierdurch konnten viele – jedoch nicht alle – Fragen vorläufig geklärt werden. DER MITTELSTANDSVERBUND und andere Verbände hatten das damals noch von der FDP geführte BMF im Vorfeld darauf hingewiesen, dass seitens des Ministeriums nicht ausreichend über die für Unternehmen sehr folgenreiche Einführung der E-Rechnung informiert würde. Hierauf wurde das BMF erneut tätig und veröffentlichte am 19. November ein ergänzendes FAQ, das inhaltlich gleichwohl kaum über das Anwendungsschreiben vom Oktober hinausging.
Offen ist nun, wie sich die Bundesregierung aus SPD und Grünen – sowie insbesondere eine künftige Bundesregierung – nach Inkrafttreten der E-Rechnungspflicht weiter verhalten wird. Da die europäische Gesetzgebung unter dem Titel „VAT in the Digital Age“, auf die die Einführung der deutschen E-Rechnungspflicht von Beginn an Bezug genommen hat, erst am 5. November mit der Einigung im EU-Rat ein vorläufiges Ende gefunden hat, wären nachträgliche Anpassungen denkbar. Weil die Ausstellung von E-Rechnung gemäß der Einigung europaweit erst zum 1. Juli 2030 verpflichtend werden soll, könnten die deutschen Übergangsregelungen durchaus nach hinten verschoben werden. Hierfür wäre aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES die Berücksichtigung der konkreten Erfahrungen aus der betrieblichen Praxis notwendig.