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Homestory EM-Verbund: Stromneutral durchs ganze Jahr

Beim Europa Möbel Verbund (EMV) wird Nachhaltigkeit immer mehr zum strategischen Hygienefaktor. Als umweltbewusstes Unternehmen hat sich die Polsterwelt Engelhardt im vergangenen Jahr für ein neues, ganzheitliches Energiekonzept entschieden. Dies beinhaltet die Installation einer Photovoltaik-Anlage und darüber hinaus ein hocheffizientes Energiesystem, welches Heizenergie und Stromerzeugung miteinander koppelt. Mehr dazu in unsere Homestory #8.

Esslingen, Juni 2023 – In der Reihe „Homestorys“ stellen wir ausgewählte Betriebe vor, die das Angebot einer Klimaprofi-Beratung angenommen haben und berichten von ihren Erfahrungen. Einige Unternehmen haben bereits Pionierarbeit geleistet, andere stehen noch am Anfang. 

Als Frank Engelhardt vor rund 27 Jahren das Möbelhaus seiner Eltern übernommen und die Polsterwelt Engelhardt in Esslingen eröffnet hat, war ihm nicht bewusst, dass er sich 20 Jahre später intensiv mit Themen wie Energiekosten und dem ökologischen Fußabdruck seines Unternehmens auseinandersetzen muss. Damals ging es Familie Engelhardt vor allem um Wachstum. Zusätzlich zur Filiale in Esslingen eröffnete Frank Engelhardt Ende der 90er Jahre eine zweite Filiale im Baden-Württembergischen Ingersheim. Den Fokus legte er von Anfang an auf den Verkauf von Polstermöbeln. „Das Geschäft lief erfolgreich“, erinnert sich Frank Engelhardt, „wir haben schon immer darauf geachtet, dass die Qualität unserer Produkte hochwertig und langlebig ist.“ Aber nicht nur bei ihren Möbeln auch bei der Gebäudeausstattung achteten Engelhardts zunehmend darauf, Ressourcen energiesparend einzusetzen. Die herkömmlichen Glühbirnen wurden im Laufe der Zeit sukzessive durch LED-Lampen ersetzt und mit einem Bewegungssensor versehen. Das heißt: Beleuchtet werden die Ausstellungsräume erst, sobald sie jemand betritt. „Bei einer Fläche von 6.000 Quadratmetern kommt es eigentlich niemals vor, dass Kunden überall im Gebäude unterwegs sind“, so Frank Engelhardt. „Durch die Reduzierung des Stromverbrauchs sparen wir auch Kosten.“

Inhaber Frank Engelhardt, Hausleiter Herr Wagenknecht, Projektleiter Herr Hohmuth, GHH Buissnes Consult und Steffen Berth, Europa Möbel Verbund (von rechts nach links)Das Thema Nachhaltigkeit gehörte für Engelhardts schon immer zu ihrem unternehmerischen Selbstverständnis. Spätestens aber seitdem Umweltaktivistin Greta Thunberg immer präsenter in den Medien wurde, setze bei Frank Engelhardt ein Umdenken ein. „Über Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit wird immer viel geredet“, so der Unternehmer, „aber viel zu wenig gemacht. Ich wollte aktiv werden, unsere CO2-Emissionen senken und dadurch unsere Möbelgeschäfte wirtschaftlich zukunftsfähiger aufstellen.“

Unterstützung von Profis

Der erste Schritt in Richtung Veränderung erfolgte auf der Verbandsmesse im November 2021. Auf dem EMV- Klimaverbund Messestand nahm Frank Engelhardt Kontakt auf mit dem Klimabeauftragten des Verbandes Steffen Berth sowie mit Gero Hohmuth, Geschäftsführer des Unternehmens Ghe.one, der Verbundgruppen bei Fragen zu energetischen Themen berät. „Wir haben uns unterhalten und erste Informationen ausgetauscht“, erinnert sich Frank Engelhardt. „Kurz danach haben wir uns darauf geeinigt, ein ganzheitliches Energiekonzept für unser Möbelhaus zu erstellen und umzusetzen.“ Im Frühjahr vergangenen Jahres ging es los. Zunächst wurde der gesamte Energiebedarf des Möbelunternehmens auf den Prüfstand gestellt mit dem Ziel, anhand der bestehenden Verbräuche abzüglich der Effizienzmaßnahmen, den zukünftigen Verbrauch mit erneuerbaren Energien zu decken. „Unser Konzept beruht darauf, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und Strombezug maximal zu reduzieren und das ganze Jahr über unser Gebäude möglichst stromneutral zu betreiben“, so Engelhardt. Aus diesem Grund entschied sich der Unternehmer für die Installation einer KWK-Anlage (Kraft-Wärme-Koppelung mit Wasserstoff H2-Ready) am Standort Ingersheim.

Eigenes Blockheizkraftwerk

„KWK-Anlagen kommen in der Regel dort zum Einsatz, wo ein erhöhter Wärmebedarf besteht und gleichzeitig viel Strom benötigt wird“, betont Energieexperte Gero Hohmuth. „Dazu gehören Krankenhäuser, Hotels, Industrieanlagen oder eben große Möbelhäuser. Die Funktionsweise basiert auf dem Prinzip der gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Wärme aus einer einzigen Energiequelle.“

Typischerweise verwendet das wärmegeführte Blockheizkraftwerk (BHKW) einen Verbrennungsmotor für die Energieerzeugung. Der Generator wandelt die Primärenergie in Wärme und Strom im Verhältnis zwei zu eins um. Durch die Nutzung der Abwärme zur Strom- und Wärmezeugung wird der Wirkungsgrad des BHKWs bestimmt. Dieser sollte zwischen 3.000 und 4.000 Benutzungsstunden pro Jahr liegen. Dies führt zu einem geringeren Energieverbrauch und damit zu einer Verringerung der CO2-Emissionen. „Die Anlage in Ingersheim produziert rund 204.000 Kilowatt Strom im Jahr, davon werden rund 76.000 Kilowatt selbst genutzt, der Rest wird eingespeist und bleibt erhalten“, so Hohmuth. „Teil des Gesamtkonzeptes ist es, durch Einsatz eines Batteriespeichers, weitere Optimierungen zu erzielen und einen noch höheren Eigenverbrauchsgrad zu erreichen.“

Wirtschaftlich neu denken

Ansicht auf die PV- Anlage mit 81,2 kWPZusätzlich zum BHKW in Ingersheim entschied sich Frank Engelhardt an beiden Standorten für die Installation einer Solaranlage auf dem Dach. Investition: 120.000 Euro, zuzüglich weiterer Kosten, unter anderem für einen neuen Trafo mit rund 65.000 Euro oder die Dachsanierung mit 150.000 Euro. Das Heizkraftwerk sowie die Heizsanierung kosteten den Unternehmer rund 200.000 Euro. „Das ist alles kein Spaziergang“, so Engelhardt. „Jeder Schritt, um energetisch neutraler zu werden, muss genau bedacht und budgetiert werden. Mitunter ist die Bank bereit, in grüne Energie zu investieren. Wir haben uns im Rahmen der Umstellung auf Erdgas für ein Förderprogramm entschieden, das unsere Regierung im vergangenen Jahr bereitgestellt hat.“ Obwohl Frank Engelhardt auf die Auszahlung der Fördermittel bis heute wartet und er in Vorleistung gehen musste, ist er zufrieden, diesen Weg gegangen zu sein. „Wir sind nahezu unabhängig geworden von externen Energiequellen, selbst im Winter können wir heizen, ohne zusätzlich CO2 für Strom zu verbrauchen – und das für die nächsten 20 Jahre. Die Ersparnis kann man sich ausrechnen.“ Die Amortisationszeit für klimaschutztechnische Maßnahmen beträgt, nach Angaben der Experten, im Schnitt fünf bis sechs Jahre, bei einer KWK-Anlage sind es zweieinhalb Jahre. „Das ist eine ziemlich kurze Zeit, für die wir sehr viel zurückbekommen. Langfristig eliminieren wir unsere Hauptstromfresser, verbessern unser Image und stellen uns zukunftsfähig auf“, so Engelhardt

Stark im Verbund

Inhaber Frank Engelhardt und sein Hausleiter Herr WagenknechtIm Europa-Möbel-Verbund (EMV), zu dem auch das Unternehmen Polsterwelt Engelhardt gehört, steht das Thema Nachhaltigkeit seit ein paar Jahren mit an erster Stelle. „Wir sind überzeugt, dass Nachhaltigkeit zu einem strategischen Hygienefaktor wird – einerseits durch die Nachfrage der Konsumenten, andererseits durch die Politik beziehungsweise die Gesetzgebung“, sagt Steffen Berth, Klimaprofi und Nachhaltigkeitsberater beim EMV. „Wer sich nicht mit dem Thema auseinandersetzt, wird es im Nachgang umso schwerer haben.“ Rund 460 Möbelhäuser mit insgesamt 1.076 Verkaufsstellen in Deutschland, Österreich, Schweiz, den Benelux-Staaten und Italien sind im Verbund integriert. Vor allem die Möbelbranche mit ihren großen Betriebsflächen trägt eine große Verantwortung, der sie sich stellen muss, so Berth. Die Nachhaltigkeitsstrategie des Verbunds beruht demnach auf drei Säulen: Die erste betrifft die Verbundzentrale selbst und hier vor allem den Fuhrpark, der energetisch in den nächsten Jahren umgerüstet werden soll. Darüber hinaus werden aktuell eine PV-Anlage und Wallboxen installiert. Die zweite Säule sind die Anschlusshäuser. Hier geht es darum, durch Nachhaltigkeitsberatung CO2-Emissionen einzusparen und die Häuser zukunftsfähig aufzustellen. Die dritte Säule betrifft die Sortimente beziehungsweise die Produkte. Dabei ist es wichtig, zum einen die Vorgaben der Politik bezüglich des Lieferkettengesetzes zu beachten und darüber hinaus die Wünsche der Verbraucher im Blick zu behalten. „Unsere Kunden achten zunehmend auf das Engagement in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltschutz sowie auf Qualität und Wertigkeit der Produkte“, so Berth. „Das zeigt, dass Nachhaltigkeit als Kaufkriterium eine immer stärkere Rolle spielen wird.“

Beratung mit Profil

Im Oktober 2020 startete Steffen Berth seine Ausbildung als Klimaprofi in der Pilotgruppe des Klimaprojektes vom Mittelstandsverbund. Die Nachfrage nach einer Beratung war von Anfang an enorm. Der Grund: Die rapide steigenden Energiepreise. „Immer mehr Möbelhäuser waren bereit, über energiesparende Maßnahmen nachzudenken“, so der Klimaprofi. „Das war auch unser erster Ansatzpunkt. Als Energie-Großverbraucher ist die Einsparung von Energie und damit verbunden CO2 mit der wichtigste Hebel.“ Rund 80 bis 90 Beratungsprojekte hat Steffen Berth inzwischen durchgeführt – bei 470 Gesellschaftern ein hoher Prozentsatz. Insgesamt wurden bei diesen Projekten etwa 7.200 Kilowatt Peak PV-Anlagen beauftragt. Die wenigsten davon sind bereits installiert, so Berth, aber sie sind angeschoben. Bei einer PV-Anlage kann man, laut Berth, im Schnitt mit einer Investition von 1.500 Euro pro Kilowatt Peak rechnen. Nur für ihre PV-Anlagen haben die Gesellschafter des EMV zusammen so schon mehr als zehn Millionen Euro in die Hand genommen. Darüber hinaus sind in den Möbelhäusern 18 zukunftsfähige H2-Ready-Blockheizkraftwerke entstanden. „Das Projekt Klimaprofi, zu dem wir uns gemeinsam mit dem Klimaverbund verpflichtet haben, wurde von unseren Gesellschaftern sehr gut angenommen“, so Steffen Berth. „Es scheint, als wenn das Thema Nachhaltigkeit für viele inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden ist.“

Widerstände meistern

Klimawandel und steigende Energiekosten – für Frank Engelhardt Gründe genug, um nicht erst lange abzuwarten, sondern seine Pläne schnell in die Tat umzusetzen. Aufgrund seiner Entschlossenheit, gehört er nun mit zu den ersten Gesellschaftern des EM-Verbundes, die über ein aktives Blockheizkraftwerk verfügen und somit das ganze Jahr weitestgehend klimaneutral Strom erzeugen. Trotz der erfolgreichen Installation der Anlage, war die Umsetzung des Projektes mit vielen Hindernissen verbunden – baulichen, aber vor allem auch politischen. Zunächst musste die Frage der Finanzierung geklärt werden. Hier hatte Frank Engelhardt Glück, dass er ausreichend finanzielle Ressourcen einkalkuliert hatte, um die nötigen Umbaumaßnahmen selbst zu bezahlen. „Man sollte alles gut durchdenken, planen und dann handeln“, so Engelhardt. „Wenn man wartet, etwa auf die Auszahlung eines Förderkredites, steigen nur die Materialkosten. Neben den großen Kostenblöcken, ist es zudem wichtig, einen Puffer einzuplanen für ungewisse Risiken. Es kommt häufig anders als man denkt.“ Trotz Unterstützung der Energieexperten Steffen Berth und Gero Hohmuth, verzögerte sich die Umsetzung des Projektes immer wieder. Ein großes Problem stellte die mangelnde Unterstützung des Netzbetreibers dar. „Ich weiß nicht, wie viele Gespräche mit unterschiedlichen Anbietern ich schon geführt habe. Sie zeigen sich in den seltensten Fällen kooperativ“, erläutert Gero Hohmuth. „Leider sind wir in Deutschland noch nicht so weit, dass die Entwicklung und Einführung nachhaltiger Technologien problemlos möglich ist. Eine koordinierte Zusammenarbeit ist jedoch wichtig, um gemeinsam Hindernisse zu überwinden.“

Bürokratie abbauen

Für die Zukunft wünscht sich Frank Engelhardt mehr Professionalität von Verantwortlichen aus der Politik und vor allem Bürokratieabbau, damit Einzelmaßnahmen zielgerichteter unterstützt werden können. Dazu gehört auch, dass bei der Festlegung der zu fördernden Maßnahmen kein Wunschdenken an den Tag gelegt wird, sondern technologische Umsetzbarkeit und Effizienz im Vordergrund stehen. So müssten die Förderungen nicht ständig korrigiert werden. „Es sollte alles transparenter werden und schneller gehen. Der Staat muss sich als wirklicher Dienstleister verstehen und die Bürgerinteressen besser wahrnehmen und unterstützen“, betont Engelhardt.

Die nächsten Schritte für seine Möbelhäuser hat der Unternehmer bereits geplant. So soll in naher Zukunft unter anderem das Blockheizkraftwerk anstatt mit Gas mit Wasserstoff betrieben werden. Der Vorteil: Bei der Verbrennung wird kein CO2 freigesetzt, da Wasserstoff durch die Umwandlung von Sonnenenergie entsteht. Für die Umsetzung von „H2-Ready“ fehlt es bislang jedoch an der nötigen Wasserstoffinfrastruktur, die aktuell weiter erforscht und entwickelt wird. Bis es soweit ist, heißt es für Frank Engelhardt abwarten und sich für die Zukunft rüsten. „Wir müssen uns noch besser aufstellen“, betont er. „Dazu gehört auch, ein gutes Monitoring hinzubekommen, damit ich einen besseren Überblick über die einzelnen Abläufe habe und mehr selbst managen kann.“ Denn das gehört ab sofort auch zu den Aufgaben eines Unternehmers: Klar zu definieren, wo kommt die von mir genutzte Energie her und wo geht sie hin. „Es gibt genug zu tun, packen wir es an.“

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Dr. Sabine Schäfer  | Leiterin Energie und Umwelt | DER MITTELSTANDSVERBUND
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