Einigung der Umweltminister:innen zur Abfallrahmenrichtlinie
Am 17. Juni 2024 einigten sich die Umweltminister:innen der 27 Mitgliedstaaten auf eine allgemeine Ausrichtung („general approach“) bezüglich einer Novellierung der EU-Abfallrahmenrichtlinie. Die Mitgliedstaaten unterstützten dabei den Kommissionsvorschlag, die Textil- und Lebensmittelhersteller stärker als bislang ins Visier zu nehmen.
Brüssel, 25.06.2024 - Das Programm der Ratssitzung der Umweltminister:innen am vergangenen Montag war eng getaktet. Neben der Positionierung zur neuen Verordnung zur Wiederherstellung der Natur sowie zur Green Claims Richtlinie ging es für die Regierungschefs aller 27 Mitgliedstaaten darum, einen Kompromiss zur Abfallrahmenrichtlinie zu finden. Im September vergangenen Jahres hatte die Europäische Kommission einen Novellierungsvorschlag zur Abfallrahmenrichtlinie (2008/98) vorgestellt, der neben verschärften Regelungen für Lebensmittelabfälle insbesondere im Bereich der Textilien grundlegende Neuregelungen vorsieht.
Zweite Novelle der Abfallrahmenrichtlinie
Die 2008 in Kraft getretene Richtlinie löste zu seiner Zeit das seit 1975 bestehende dreistufige Modell der Abfallwirtschaft ab. Die hier eingeführten fünf Stufen der Abfallhierarchie, (Vermeidung, (Vorbereitung zur) Wiederverwendung, Recycling, sonstige Verwertung sowie Beseitigung von Abfällen) sollten die Effizienz der Ressourcennutzung verbessern und den Mitgliedstaaten den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft ermöglichen. Auch wurde hier erstmalig der Grundsatz der Produktverantwortung verankert, der Hersteller unter Umständen zur Rücknahme und Beseitigung zurückgegebener Erzeugnisse nach der Verwendung verpflichtet.
Weitere Ziele zur Erreichung der Kreislaufwirtschaft setzte die erste Novelle der Richtlinie, welche 2018 in Kraft trat. Diese sah unter anderem Maßnahmen zur stufenweisen Steigerung der Recyclingquote bei Siedlungsabfällen sowie eine Verschärfung von Vermischungsverboten für gefährliche Abfälle vor. Vor allem aber sah die Novelle eine Pflicht zur getrennten Sammlung von Textilien, Textilwaren und Schuhwaren von anderen Abfallströmen vor, um das Recycling und die Wiederverwendung zu fördern.
Die derzeit diskutierte Gesetzesänderung ist somit die zweite, welche die 2008 entstandene Abfallrahmenrichtlinie betrifft. Neben neuen Regelungen für Lebensmittelabfälle enthält die Novellierungsvorschlag der Kommission vor allem im Textilbereich einige Neuerungen.
Hier sind die bedeutendsten Neuerungen:
- die „Erweiterte Herstellerverantwortung“, welche Hersteller von Textilprodukten und Schuhwaren verpflichtet, die Kosten der Bewirtschaftung von Textilabfällen zu tragen, wobei sich die Kosten an der Kreislauffähigkeit und Umweltverträglichkeit der Produkte bemessen
- der Vorschlag zur Einführung eines Registers zur verbesserten Erfassung der Pflichteneinhaltung
- Maßnahmen zur Förderung der Getrenntsammlungspflicht für Textilien auch im Alttextilienbereich
Gemeinsame Ausrichtung des Rates:
Richtung stimmt, Nachjustierung in Fast-Fashion-Industrie
Die gemeinsame Position des Rates widerspricht die grundsätzlichen Ausrichtung des Kommissionsvorschlags vollkommen. Insbesondere zu den ambitionierten Zielen, die Lebensmittelverschwendung um 10% in der Lebensmittelherstellung und -verarbeitung sowie um 30% im Einzelhandel, in Restaurants, in der Gastronomie sowie in Haushalten zu reduzieren, bekennen sich die Umweltministerinnen und -minister der EU-Staaten.
Einige kleinere Modifizierungsvorschläge betrifft hingegen den Textilbereich:
- die Aufforderung an die Kommission, bis 2028 konkrete Ziele für die einzelnen Phasen der Abfallwirtschaft festzulegen
- den Vorschlag, im Zuge der Erweiterten Herstellerverantwortung Mitgliedstaaten die Berechnung höherer Gebühren für Unternehmen zu erlauben, die „Fast-Fashion“-Praktiken anwenden
- die Einbeziehung von Kleinstunternehmen in den Geltungsbereich der Herstellerverantwortung
- die Möglichkeit für Mitgliedstaaten, sozialwirtschaftlichen Einrichtungen von bestimmten Pflichten rund um Textilsammelsystemen zu befreien
- die Verlängerung der Umsetzungsfrist der Novelle in nationales Recht von 18 auf 24 Monate
Stärkerer Druck auf Fast-Fashion-Unternehmen
Die allgemeine Ausrichtung des Umweltrates führt in einigen Punkten zu einer Verbesserung der Integrität des Kommissionsvorschlags zur Änderung der Abfallrahmenrichtlinie.
Dennoch sieht DER MITTELSTANDSVERBUND die nunmehr gewählten Ansätze der Kommission und Mitgliedstaaten kritisch: Auch wenn die Vertriebsstufen in den meisten Fällen von den erweiterten Hersteller-Verpflichtungen nicht betroffen sind, steht jedoch zu befürchten, dass die Umsetzung der Reduktions-Quoten und Finanzierungssysteme zu einem erhöhten bürokratischen Aufwand aller Marktakteure führen wird.
Zudem schießt der bereits im März vom Europäische Parlament verabschiedete Bericht weit über die Vorschläge der Europäischen Kommission hinaus:
„Im Zweifel bauen die europäischen Gesetzgeber ein weiteres Bürokratiemonster auf, welches zu keinen Verbesserungen der bestehenden Zustände beitragen wird.“ meint daher auch Tim Geier, Geschäftsführer Büro Brüssel, DER MITTELSTANDSVERBUND.
Der Spitzenverband des kooperierenden Mittelstands wird sich daher weiterhin für praxisnahe und leistbare Regeln einsetzen, die die Verantwortlichkeiten entlang der Wertschöpfungsstufen berücksichtigt und auch die Nutzer:innen entsprechend in die Pflicht nimmt.