Entlastung von Berichtspflichten: Klares Signal an Brüssel
Alle Zeichen stehen auf Entbürokratisierung: Nachdem Kommissionspräsidentin von der Leyen sowie Staats- und Regierungschefs bereits im November eine Beschränkung der bestehenden Berichtspflichten des Green Deals angekündigt haben, legt die deutsche Bundesregierung nach. „Weniger von allem“ scheint die Devise der späten Regierung zu sein.
Brüssel, 18.12.2024 - „... in diesem Zusammenhang möchten wir darauf hinweisen, dass die Beseitigung unangemessener Berichtspflichten eine der Kernprioritäten (der neuen Initiative zur Reduzierung von Bürokratie, Anm. des Verfassers) ist.“ Dieser Satz schlägt einen neuen Ton in der Kommunikation zwischen Bundesregierung und Europäischer Kommission an. In einem Brief machen die Vertreterinnen und Vertreter der Regierung konkrete Vorschläge, um die bestehenden europäischen Berichtspflichten deutlich zu verschlanken.
Bereits im November 2024 hatte Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, bei einem Treffen der Staats- und Regierungschefs in Budapest verkündet, dass die Überarbeitung der Rechtsakte, die die Masse an Berichtspflichten für Unternehmen ausmachen, eines ihrer wichtigsten Ziele sei. Von der Leyen versprach ein sogenanntes “Omnibus-Gesetz”, das die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung, die europäische Lieferketten-Richtlinie sowie die Taxonomie-Verordnung anpassen und vereinfachen soll. Gleichzeitig stellte sie klar, dass lediglich die Verfahren der Berichterstattung vereinfacht werden sollen – inhaltliche Anpassungen seien nicht vorgesehen.
Seit Wochen zerbricht sich daher die Brüsseler Welt der Interessenvertretung den Kopf, wie eine solche Anpassung aussehen könnte. Klar ist, dass man um eine Öffnung der bestehenden Rechtsakte – mit der Möglichkeit, dass die beiden Gesetzgeber Rat der EU und Europäisches Parlament auch grundlegende Änderungen an den Gesetzen vornehmen könnten – nicht herumkommt.
Auch die Regierungen der Mitgliedstaaten waren sich bislang uneinig, wie ein solches Omnibus-Gesetz aussehen könnte. Obwohl die Regierungen in der sogenannten Budapester Erklärung im November den „Neuen Deal für die europäische Wettbewerbsfähigkeit“ verkündeten und ein „Weiter-So“ der europäischen Politik als Option ausschlossen, blieben die Ansätze bislang recht vage.
In dem am 17. Dezember 2024 an die Europäische Kommission adressierten Brief der deutschen Bundesregierung werden nun erste Vorschläge zur Verbesserung der bestehenden Situation vorgeschlagen.
Nachhaltigkeitsberichterstattung als Kernelement
Die Bundesregierung konzentriert sich in ihrem Brief vor allem auf die umfassenden Pflichten der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Große Unternehmen von öffentlichem Interesse sollen ab dem Berichtszeitraum 2025 über Nachhaltigkeits-bezogene Aktivitäten berichten und entsprechende Risiken der Geschäftstätigkeit adressieren. Der hierfür erarbeitete verpflichtend anzuwendende Berichtsstandard umfasst die Aufnahme und Bewertung von 1144 Datenpunkten. Was bereits für die betroffenen Unternehmen eine Mammutaufgabe darstellt, erschlägt mittelständische Unternehmen beinahe: Kleine und mittlere Geschäftspartner der vorgelagerten Wertschöpfungskette sehen sich bereits jetzt in der Vorbereitung der Berichte umfassenden Auskunftsersuchen der berichtspflichtigen Unternehmen ausgesetzt.
Genau hier setzt die Bundesregierung an:
- Nach Auffassung der Bundesregierung sollen Auskunftsersuche an mittelständische Vertragspartner auf das absolut notwendige Maß beschränkt werden. Hierzu sollen zusätzliche Sicherheitsmechanismen in das bestehende Regelwerk eingefügt werden.
- Weiterhin soll der persönliche Anwendungsbereich erheblich angehoben werden. Lediglich Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 450 Mio. EUR (aktuell: 50 Mio. EUR) und einer Mindestarbeitnehmerzahl von 1000 Mitarbeitern (aktuell: 250) sollen in den Anwendungsbereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung fallen.
- Zudem soll die Anwendung der Pflichten auf das Jahr 2028 (aktuell 2026 für 2025) verschoben werden.
- Schließlich schlägt die Bundesregierung eine wesentliche Einschränkung der bestehend verpflichtend einzuholenden Datenpunkte vor. Hierbei wird ein Wechsel des Berichtsstandards vorgeschlagen, welcher die Datenpunkte auf rund ein Drittel (446 Datenpunkte) beschränken würde. Kapitalmarktorientierte KMU, die eigentlich ab 2028 berichtspflichtig wären, sollen einen noch weiter eingeschränkten Berichtsstandard unterliegen (ca. 50 Datenpunkte). Die geplanten sektorspezifischen Berichtsstandards sollen insgesamt gestrichen werden.
DER MITTELSTANDSVERBUND – ZGV e.V. begrüßt die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Ansätze ausdrücklich: „Endlich sind die Praxiserfahrungen aus unserer Mitgliedschaft auch in der Politik angekommen“, so Dr. Henning Bergmann, Hauptgeschäftsführer DER MITTELSTANDSVERBUND. „Ein radikal eingeschränkter Berichtsumfangs ist dabei das einzig sinnvolle Instrument, um die Probleme im Unternehmensalltag zu lösen. So können auch unmittelbar betroffene Unternehmen ihr zukünftiges Risiko-Management auf die Elemente konzentrieren, die tatsächlich Lenkungswirkung hin zu einem nachhaltigen Wirtschaften entfalten.“
Schwächen bei Lieferketten-Richtlinie und Taxonomie-Verordnung
Hinsichtlich der Verbesserungen mit Blick auf die Taxonomie-Verordnung bleibt die Bundesregierung hingegen vage und regt nur eine grundsätzliche Überarbeitung an. Auch wenn diese Einschätzung geteilt wird, sind konkretere Vorschläge erforderlich, um die drohende Überlastung der Wirtschaft zu verhindern.
Vorschläge zur Lieferketten-Richtlinie lässt die Bundesregierung komplett aus. Auch nach Verabschiedung der Richtlinie fordert DER MITTELSTANDSVERBUND weitere inhaltliche Verbesserungen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf den Umfang der Sorgfaltspflicht, der sich entsprechend dem deutschen Lieferketten-Gesetz ausschließlich auf direkte Geschäftspartner beziehen sollte. Weiterhin sollten Verbundgruppen und Genossenschaften die Möglichkeit erhalten, im Rahmen der Lieferketten- und Nachhaltigkeitsberichterstattung freiwillig und mit befreiender Wirkung für die angeschlossenen Mittelständler beziehungsweise Mitglieder der Genossenschaft berichten zu können.
Wie geht es weiter?
Nach aktuellem Stand plant die Europäische Kommission, ihren Omnibus-Vorschlag im Frühjahr vorzustellen. Die Zeit drängt, stehen bereits 17 Mitgliedstaaten vor der unmittelbaren Implementierung der Nachhaltigkeits-Berichterstattung. Auch wenn Deutschland aller Voraussicht nach die Nachhaltigkeits-Richtlinie nicht vor der Bundestagswahl im Februar umsetzen wird, könnten deutsche Mittelständler zeitnah von europäischen Geschäftspartner in deren Compliance-Prozesse einbezogen werden. Die angekündigten Verbesserungen müssen daher schnell in konkrete Vorschläge gegossen werden, damit insbesondere europaweit tätige Unternehmen zeitnah die notwendige Rechts- und Planungssicherheit für ihre Nachhaltigkeits-Aktivitäten bekommen.
DER MITTELSTANDSVERBUND wird im Dialog mit den europäischen Entscheidungsträgern entschiedene Einschränkungen der bestehenden Berichtspflichten einfordern – wie bereits in mehreren Schreiben an die Kommissionspräsidentin von der Leyen erwähnt, geht es um nicht weniger als die Zukunftsfähigkeit der europäischen Wirtschaft.