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EU-Lieferkettengesetz: Die große Empörung bleibt aus

In einer kontroversen Abstimmung einigten sich die Abgeordneten des Europäischen Parlaments auf ihren Standpunkt zum Europäischen Lieferkettengesetz. Auch wenn in letzter Minute viele Stimmen laut wurden, die eine Entschärfung des Rechtsakts forderten, konnte sich dennoch die Befürworter eines administrativ überbordenden Ansatzes durchsetzen.

Brüssel, 01. Juni 2023 – Die Stimmung ist angespannt im Plenum des Europäischen Parlaments. Während der Abstimmung mussten einzelne Punkte erneut zur Abstimmung gestellt werden. Die Reaktionen sind verständlich, ging es denn um nicht weniger als die zukünftigen Pflichten, die Unternehmen in ihrer Lieferkette zu beachten haben.

Vorprogrammierte Überlastung

Bereits der vor über einem Jahr vorgestellte Kommissions-Vorschlag hatte es in sich: Anders, als das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sollten nach Ansicht der Beamten bereits Unternehmen ab einer Mitarbeiterzahl von 500 Beschäftigten betroffen sein. Die Sorgfaltspflichten sollten nicht nur „downstream“ in Richtung Lieferanten und Vorproduktionsstufen gelten, sondern
auch „upstream“ in Richtung Geschäftspartner, an die die Produkte vertrieben werden.

DER MITTELSTANDSVERBUND warnte bereits zu diesem Zeitpunkt, dass die Hauptlast der Pflichtenerfüllung von mittelständischen Unternehmen getragen werden müsste. Auch wenn jedes Unternehmen Verantwortung für seinen Geschäftsbereich trage, müssten die Pflichten klar umrissen werden und nicht über das notwendige Maß hinausgehen. Aus diesem Grund forderte der Spitzenverband eine unbedingte Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

Große Erwartungen

Vor der Abstimmung im EP-Plenum sammelten sich viele Abgeordnete, die sich für eine Anpassung der Vorschriften aussprach. So sollten insbesondere die Haftungsvorschriften bei Nicht-Einhaltung von Sorgfaltspflichten entschärft werden. Zudem wurde eine maximale Harmonisierung der Vorschriften gefordert, um überschießender nationaler Gesetzgebung vorzubeugen. DER MITTELSTANDSVERBUND unterstützte diese Ansätze, um eine Handhabung der neuen Vorschriften gerade in mittelständischen Unternehmen zu gewährleisten.

Der große Knall

Von den vorgeschlagenen Änderungen blieb am Ende der Abstimmung wenig übrig. Das Gros der Abgeordneten stellte sich daher geschlossen hinter die Berichterstatterin des Rechtsausschusses, Lara Wolters (S&D Fraktion). Im Ergebnis sind daher erhebliche Mehrbelastungen für Unternehmen zu erwarten. Dies insbesondere in folgenden Bereichen:

  • Anders als das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sollen Unternehmen mit einer Arbeitnehmerzahl ab 250 Mitarbeitenden in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.
  • Ähnlich den neuen Vorschriften über die nicht-finanzielle Berichterstattung von Unternehmen sollen kleinere Unternehmen jedoch erst nach einigen Jahren in den Anwendungsbereich fallen.
  • Die Pflichten sollen sich auf die „Wertschöpfungskette“ ausrichten, indirekte Geschäftskontakte können damit von den Pflichten ebenso betroffen sein, wie die eigenen Vertriebswege (insbesondere: Logistik und Entsorgung von Produkten).
  • Unternehmen ab einer Mitarbeiterzahl von mehr als 1000 Angestellten müssen zudem einen Klimaplan zur Einhaltung der 1.5 Grad-Ziele erstellen und jährlich anpassen.
  • Alle Betroffenen Unternehmen sollen einen Beschwerdemechanismus einrichten.
  • Weiterhin sollen Organisationen von betroffenen Arbeitnehmern Auskunftsrechte gegenüber den Unternehmen zugesprochen werden.

Positiv zu bewerten, sind hingegen die Vorschriften zur Unternehmenshaftung. Ansätze, nach denen eine vollständige Beweislastumkehr zulasten von Unternehmen, die ihre Sorgfaltspflichten nicht vollumfänglich erfüllt haben, eingeführt werden sollte, konnten sich nicht durchsetzen.

Weiterhin erfolgten Klarstellungen hinsichtlich der verpflichtenden Hilfsangebote, die Mitgliedstaaten zukünftig für Unternehmen bereitstellen müssen.

Zudem setzte sich auch das Petitum des MITTELSTANDSVERBUNDs durch, dass alle Sorgfaltspflichten relativ zu dem potentiellen Verursacherbeitrag des Unternehmens, der Schwere des potentiellen Schadens sowie der Einflussmöglichkeiten eines Unternehmens auf die Wertschöpfungskette beachtet werden müssen.

„Der Vorstoß des Europäischen Parlaments bedeutet definitiv ein Mehr an Belastungen für Unternehmen“ bestätigt auch Tim Geier, Geschäftsführer Büro Brüssel, DER MITTELSTANDSVERBUND. „Es bleibt abzuwarten, ob sich die vielen Extrempositionen in den anstehenden Verhandlungen mit dem Rat der EU durchsetzen werden. An vielen Stellen gibt es weiterhin Nachbesserungsbedarf – insbesondere müssen die gewählten Rechtsbegriffe klarer ausgestaltet werden, damit sich Unternehmen auf die anstehenden Aufgaben einstellen können.“ So Geier weiter.

Der Vorschlag wird nunmehr zwischen den Europäischen Gesetzgebern verhandelt. Ob ein Abschluss des Dossiers jedoch noch bis zu den Europawahlen im Juni 2024 gelingen wird, bleibt abzuwarten. Aktuell formieren sich vermehrt Staats- und Regierungschefs, die eine Ausweitung der Belastungen für Unternehmen ablehnen. Gerade Mittelständler stehen weiterhin zu ihrer gesellschaftlichen Pflicht. Zu vermeiden gilt es jedoch, dieses positive Momentum durch einen unnötigen Formalismus zu zerstören und so dem wirklichen Ziel des Lieferkettengesetzes – einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen – entgegenzuwirken.

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