Fairness fehlgeschlagen: Enttäuschung über Regierungsentwurf zur UTP-Richtlinie
Am 18. November wurde der Regierungsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes verabschiedet, der zur Umsetzung der sogenannten UTP-Richtlinie führen soll. Der wiederholt vom MITTELSTANDSVERBUND beklagte Einschnitt in die Vertragsfreiheit zwischen Marktakteuren ist damit massiv vergrößert worden. Bei der Umsetzung der Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette ist dies ein weiterer Schritt, der insbesondere den Mittelstand und seine genossenschaftlich organisierten Distributionswege schädigt.
Berlin, 18.11.2020 – Entgegen den Vorschlägen im Referentenentwurf und entgegen der Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette (im Folgenden: UTP-Richtlinie) sollen danach die Rücksendung unverkaufter Ware auf Kosten des Lieferanten sowie die Geltendmachung von Lagerkosten nach Lieferung untersagt werden, wenn der Lieferant nicht mehr als 350 Mio. Euro Jahresumsatz erzielt.
MITTELSTANDSVERBUND gegen Ausweitung des absoluten Verbotskatalogs
DER MITTELSTANDSVERBUND spricht sich entschieden gegen eine solche Ausweitung des absoluten Verbotskatalogs aus. Die Bundesregierung hat sich – ausweislich ihres Koalitionsvertrags – auf eine konsequente Eins-zu-Eins-Umsetzung von EU-Regelungen geeinigt – dies insbesondere mit Blick auf die Stärkung von kleinen und mittleren Unternehmen. Die geplante Abweichung von den Vorgaben der UTP-Richtlinie verkennt hingegen, dass auf beiden Seiten der Lebensmittelversorgungskette schützenswerte kleine und mittlere Unternehmen stehen.
Die im MITTELSTANDSVERBUND organisierten Verbundgruppen vertreten unter anderem mittelständische Lebensmitteleinzelhändler, Bäckerei- und Fleischereifachbetriebe sowie Großhändler im Bereich Gastronomie, Hotellerie, Catering und Getränke. Diese sind auf ein hohes Maß an Flexibilität mit Blick auf Vertragsgestaltungen angewiesen. Erst hierdurch lassen sich oftmals erst Skaleneffekte und Effizienzgewinne zur Stärkung der mittelständischen Verbundgruppen-Mitglieder generieren.
Weitere Einschränkungen in der Vertragsgestaltung würden die Wettbewerbsposition ebendieser Mittelständler sowohl gegenüber filialisierten Mitbewerbern als auch gegenüber größeren Produktions-Einheiten erheblich verschlechtern. Die vorgeschlagene Ausweitung der Regelungen der UTP-Richtlinie würden zudem nicht zu einer gewünschten Verbesserung der Position kleiner und mittlerer Lebensmittelproduzenten führen.
Bezüglich der finanziellen Beteiligung an Lagerhaltungskosten (des Einzelhandels) kann es durchaus im Interesse des Herstellers sein, anstatt eigener Läger auf externe Dienstleister – wie beispielsweise Verbundgruppen – zurückzugreifen. So können Produktionsprozesse unabhängig vom Abverkauf der entsprechenden Produkte ganzjährig aufrechterhalten werden, was zu Effizienzgewinnen auf Hersteller-Seite führen kann. Zudem gewährleisten externe Läger eine maximale Verfügbarkeit von Produkten auch in Zeiten plötzlich steigender Nachfrage. Zudem sichert der Einzelhandel durch die Zur-Verfügung-Stellung von Lagerkapazitäten einen Teil des Absatzrisikos des Herstellers ab. Die Vereinbarung eines entsprechenden Entgelts ist damit sachlich gerechtfertigt.
Hinsichtlich des zweiten Punktes – der Rücksendung unverkaufter Waren auf Kosten des Lieferanten – sollte zunächst herausgestellt werden, dass eine solche Vertragsvereinbarung regelmäßig nur in Ausnahmesituationen und oftmals nur eingeschränkter Form in zur Anwendung kommt; Namentlich im Rahmen von Produktneueinführungen, Saison- oder Aktionswaren kann ein hohes Absatzrisiko bestehen. Dies kann durch Vereinbarungen der (teilweisen) Rücknahme nicht vertriebener Waren abgemildert werden. Aufgrund der Absatzeinschätzung des Produzenten ist das Risiko, dass ein solcher Fall tatsächlich eintritt, auch kalkulierbar. Gleichzeitig wird die Verfügbarkeit der betreffenden Ware gewährleistet. Richtig ist, dass eine einseitige Benachteiligung gerade kleinerer Lebensmittelproduzenten keine politische Option ist. Auch mittelständische Letzt-Vertreiber sollten hingegen nicht das Absatzrisiko der Lebensmittelversorgungskette insgesamt tragen müssen. Eine gerechte Risikoverteilung anhand der Umstände des Einzelfalles hat sich daher als probates Mittel bewährt und sollte daher weiterhin erhalten bleiben.
Insgesamt ist anzumerken, dass die vorgehend dargestellten Vereinbarungen Optionen darstellen, die sowohl Hersteller als auch Handel zur Verfügung stehen sollten.
Abschließend sei zudem erneut darauf hingewiesen, dass vor dem Hintergrund der aktuellen Lage digitale Angebote und Dienstleistungen an Gewicht gewinnen. Viele davon werden jedoch nur erfolgsversprechend realisiert werden können, wenn den beteiligten Akteuren eine maximale Flexibilität in der Vertragsgestaltung zur Verfügung steht.