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Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter: EU-Kommission plant weitreichende Änderungen und E-Rechnung als Standardverfahren

Die EU-Kommission hat im Dezember 2022 ein Legislativpaket mit umfassenden Anpassungen der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie vorgestellt. Die enthaltenen Vorschläge sollen die E-Rechnung zum Standardverfahren in der Rechnungsstellung machen. Mit dem Ziel einer digitalen Rechnungsstellung in Echtzeit sollen aber auch entsprechende Fristen drastisch verkürzt werden. DER MITTELSTANDSVERBUND hat sich daher über seinen Dachverband Independent Retail Europe an einer entsprechenden Konsultation der EU-Kommission beteiligt und auf die drohenden Probleme für Unternehmen im kooperierenden Mittelstand hingewiesen.

Berlin, 27.03.2023 – Das bereits am 8. Dezember 2022 von der Europäischen Kommission vorgestellte Legislativpaket zur Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter bündelt unterschiedliche Vorschläge zur Anpassung der europäischen Mehrwertsteuervorschriften. Die für alle Mitgliedstaaten maßgebliche Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) soll vor dem Hintergrund der technologischen Entwicklung in mehreren Punkten modernisiert werden. Die Auswirkungen der im Paket enthaltenen Maßnahmen wären dabei auch gerade für kleine und mittlere Unternehmen – insbesondere solche, die grenzüberschreitend tätig sind – sehr bedeutsam.

Umfassendes Legislativpaket mit folgenreichen Maßnahmen

Insgesamt enthält das Maßnahmenpaket drei Legislativvorschläge: einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf die Mehrwertsteuervorschriften für das digitale Zeitalter; einen Vorschlag zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 zur mehrwertsteuerlichen Behandlung der Plattformwirtschaft sowie einen Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 für die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer.

Dabei ist mit Blick auf den kooperierenden Mittelstand vor allem der erste Vorschlag zur Änderung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (2006/112/EG) für das digitale Zeitalter von großer Bedeutung. Er sieht zwei Kernelemente vor, die zum 1. Januar 2028 wirksam werden sollen:

  • Eine einzige Mehrwertsteuerregistrierung in der EU als Weiterentwicklung des existierenden One-Stop-Shops als einziger Anlaufstelle für die Mehrwertsteuer
  • Digitale Meldung in Echtzeit für Mehrwertsteuerzwecke auf Grundlage einer elektronischen Rechnungsstellung. Dies soll durch folgende Maßnahmen erreicht werden:
    • Elektronische Rechnungsstellung als Standardverfahren: Gemäß Artikel 232 MwStSystRL muss der Rechnungsempfänger bisher der Ausstellung elektronischer Rechnungen zustimmen. Dies würde sich mit einem neuen Artikel 218 ändern, der die elektronische Rechnungsstellung als Standardverfahren festgelegt, wobei Artikel 232 gestrichen wird.
    • Neue Frist von 2 Tagen für die Ausstellung elektronischer Rechnungen für innergemeinschaftliche Lieferungen von Gegenständen bzw. Erbringung von Dienstleistungen bei Umkehrung der Steuerschuldnerschaft: Da sich das neue Mehrwertsteuersystem auf Informationen in Echtzeit stützt, soll die bisherige Frist von 45 Tagen nach Eintreten des Steuertatbestands abgeschafft und in Artikel 222 durch eine neue Frist von 2 Tagen ersetzt werden.
    • Abschaffung der Möglichkeit zur Ausstellung zusammenfassender Rechnungen für einen Kalendermonat: Der bisherige Artikel 223, der Unternehmen die Ausstellung von Sammelrechnungen ermöglicht, soll gestrichen werden.
    • Digitale Meldepflichten für innergemeinschaftliche Umsätze: Mit dem Vorschlag sollen zusammenfassende Meldungen durch digitale Meldepflichten für innergemeinschaftliche Umsätze auf Umsatzbasis ersetzt werden (Artikel 262 bis 271). Die digitalen Meldepflichten gelten für dieselben Umsätze, die Gegenstand der zusammenfassenden Meldung waren. Auch hierfür würde die Frist zur Übermittlung der Daten 2 Arbeitstage nach Rechnungsstellung betragen.
    • Digitales Meldesystem für Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen im Gebiet eines Mitgliedstaats: Ein digitales und einheitliches Meldesystem soll der bisherigen Fragmentierung ein Ende setzen und die bisherigen digitalen Meldesysteme in den Mitgliedstaaten mit dem neuen Meldesystem für innergemeinschaftliche Umsätze harmonisieren (Artikel 271a bis 273).

Große Herausforderungen für Geschäftsprozesse mit unerwünschten Effekten

DER MITTELSTANDSVERBUND sieht mit Blick auf die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen eine Reihe von Problemen, die hieraus gerade für kleinere Unternehmen sowie allgemein für die etablierten Geschäftsprozesse im kooperierenden Mittelstand erwachsen würde. Dabei ist der Weg hin zu einer elektronischen Rechnungsstellung und einem digitalen steuerlichen Reporting durchaus sinnvoll und langfristig unumgänglich.

Gleichwohl geht die Kommission hier sehr forsch voran und berücksichtigt die Folgen für die Unternehmen nicht ausreichend. So wäre die grundsätzliche Abschaffung der Möglichkeit zur Ausstellung von Sammelrechnungen für Unternehmen im kooperierenden Mittelstand fatal, da diese gerade in den Lieferbeziehungen zwischen Verbundgruppenzentrale und Anschlusshaus – aber auch darüber hinaus – sehr verbreitet ist. Auch würde die massive Verkürzung der Frist zur Ausstellung von Rechnungen für innergemeinschaftliche Lieferungen auf lediglich zwei Tage für großen Zeitdruck im Rechnungswesen sorgen und könnte gerade kleinere Unternehmen überfordern. Durch den Zeitdruck würde zudem die Fehleranfälligkeit steigen, zumal Korrekturen innerhalb der maximalen Frist – anders als heute – kaum möglich sein dürften. Insbesondere mit Blick auf die neuen digitalen Meldepflichten für innergemeinschaftliche Umsätze und das digitale einheitliche Meldesystem stellt sich auch die Frage, ob die IT-Ausstattung vor allem kleinerer Unternehmen hierfür ausreichend ist. Auch wenn die vorgeschlagenen Maßnahmen erst zum 1. Januar 2028 wirksam werden sollen, ist eine praxistaugliche und für die Unternehmen finanziell vertretbare Umsetzung unabdingbar. Zu begrüßen ist demgegenüber der Wegfall der bisher erforderlichen Zustimmung des Rechnungsempfängers zur Ausstellung einer elektronischen Rechnung. Dies kann die Verbreitung von E-Rechnungen tatsächlich wirksam fördern.

Im Rahmen einer laufenden Konsultation der Kommission zu diesem Legislativpaket hat sich DER MITTELSTANDSVERBUND über seinen europäischen Dachverband Independent Retail Europe mit einer Stellungnahme beteiligt, welche die oben genannten Probleme und Herausforderungen für die Unternehmen im kooperierenden Mittelstand kritisch aufgreift. Auch das weitere Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene wird DER MITTELSTANDSVERBUND sehr aufmerksam und in Abstimmung mit der Mitgliedschaft begleiten. 

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