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Bundestag beschließt Verschärfung des AgrarOLkG

Im Rahmen des sogenannten Agrarpakets beschloss der Bundestag am 5. Juli 2024 eine Anpassung des Agrarorganisations- und Lieferkettengesetzes (AgrarOLkG). DER MITTELSTANDSVERBUND kritisiert die Verschärfung des Gesetzes und erinnert an die Warnung der Monopolkommission, nicht ohne geeignete Datenbasis in die Wettbewerbsfreiheit von Unternehmen einzugreifen.

Berlin, 11.07.2024 - Die von der Bundesregierung vorangetriebene Novellierung des Agrarorganisations- und Lieferkettengesetzes (AgrarOLkG) soll Landwirte in Deutschland gegenüber der Lebensmittelindustrie und dem Lebensmittelhandel weiter stärken. Sie wurde nun am vergangenen Freitag, den 5. Juli 2024, vom Bundestag im Rahmen des dreiteiligen Agrarpakets über eine Änderung des Gesetzes zum Verbot von unlauteren Handelspraktiken in der Lebensmittelwertschöpfungskette beschlossen. Pikant ist dabei folgender Umstand: Die Abstimmung erfolgte in just der Woche, in der die Monopolkommission aufgrund der wettbewerbsbezogenen Risiken vor einer Verschärfung des AgrarOLkG warnte.

Das Gesetz ist die deutsche Umsetzung der EU-Richtlinie zum Verbot unlauterer Handelspraktiken im Agrar- und Lebensmittelsektor (UTP-Richtlinie). Der Regelungsbestand umfasst sogenannte „graue“ Praktiken – also solche, die ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung verboten sind – sowie „schwarze“ Praktiken, die grundsätzlich verboten sind. Die UTP-Richtlinie erforderte zudem die Erstellung eines Evaluierungsberichts, dessen Zweck darin bestand, die Auswirkungen des Gesetzes auf die Wettbewerbsbedingungen im Agrar- und Lebensmittelsektor zu untersuchen. Dieser wurde von der Bundesregierung im Oktober 2023 veröffentlicht und dient nun als wesentliche Entscheidungsgrundlage für die regulatorischen Anpassungen, die letzte Woche vom Bundestag beschlossen wurden.

 

Die wichtigsten Änderungen im Überblick

Neben einigen redaktionellen Änderungen stehen vor allem folgende Anpassungen im Vordergrund:

  •  Der Anwendungsbereich des Gesetzes (§ 10) gilt nun dauerhaft für den Verkauf von Milch- und Fleischprodukten sowie von Obst-, Gemüse- und Gartenbauprodukten einschließlich Kartoffeln. Damit wird die bisherige Befristung bis zum 1. Mai 2025 aufgehoben.
  •  Den verbotenen Handelspraktiken (§ 23) wird ein Umgehungsverbot hinzugefügt, dessen Tatbestand erfüllt ist, wenn die Vertragsbedingungen vonseiten des Käufers die Umgehung einer der „schwarzen“ Praktiken bewirken.
  •  Das Retourenverbot (§ 12), also das Verbot des Rückkaufs unverkaufter Ware durch den Lieferanten, wird als verbotene Praxis um eine Ausnahme erweitert. So kann es zukünftig der Vertragsfreiheit der Parteien überlassen sein, eine entsprechende vertragliche Vereinbarung zu treffen, sofern die nicht verkauften Erzeugnisse mindestens zwölf Monate weiterhin zum Verkauf geeignet sind und der Lieferant seinerseits nicht erhebliche Aufwendungen (Umverpackung o.ä.) hierfür leisten muss.
  •  Das Verbot der Beteiligung des Lieferanten an den Kosten der Lagerung (§ 14) gilt nicht für Zusammenschlüsse von Lieferanten, etwa durch Erzeugerorganisationen, die hierdurch den Lager-, Kosten- und Verwaltungsaufwand gering halten wollen.
  •  Die sog. Einvernehmensregelung (§ 28 Abs. 2 Satz 1 und 2), wonach die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung als vorgesehene Durchführungsbehörde für die Feststellung von Verstößen sowie deren Sanktionierung das Einvernehmen des Bundeskartellamts einholen muss, wird aus unionsrechtlichen Bedenken aufgehoben und stattdessen eine Regelung zum verbesserten Informationsaustausch zwischen Behörde und Kartellamt aufgenommen.
  •  Um der zunehmenden Bedeutung von antragslosen Verfahren im Agrarbereich gerecht zu werden, wird zuletzt die Zinsregelung im Marktorganisationsgesetz angepasst. Die bisherige Regelung sah keine Möglichkeit eines ermessensabhängigen Absehens von der Geltendmachung von Zinsforderungen vor, was hierdurch geändert werden soll.

Keine gravierenden Veränderungen, dennoch Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit

Zunächst ist positiv festzuhalten, dass vonseiten des Gesetzgebers von massiveren Eingriffen in die Wettbewerbsfreiheit abgesehen wurde. So wurde von Agrarverbänden zuletzt wiederholt eine Freistellung von Agrarorganisationen vom Kartellverbot gefordert. Einige regulatorische Anpassungen wie die Aufhebung der Befristung des Anwendungsbereichs für bestimmte Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse bedeuten keinerlei praktische Veränderungen. Auch die Aufhebung der Einvernehmensregelung stellen lediglich eine unionsrechtlich notwendige Umstellung auf behördlicher Ebene dar.

Positiv zu vermerken ist darüber hinaus, dass dem Retourenverbot nach § 12 eine Ausnahmeregelung für lang haltbare Ware hinzugefügt wurde und entsprechende vertragliche Vereinbarungen nun unter Umständen als „graue“ Praktiken erlaubt werden.

Das Retourenverbot stellt ein anschauliches Beispiel für die Folgen des sogenannten Gold-Plating dar, wonach der Regelungsrahmen der nationalen Umsetzung über die Anforderungen der zugrundeliegenden EU-Richtlinie hinausgeht. Diese Praxis führte in diesem Fall dazu, dass eine von allen Vertragsparteien als fair empfundene Geschäftsbeziehungen verboten und somit ohne Notwendigkeit in die Vertragsfreiheit von Unternehmen eingegriffen wurde. Dass durch die Hinzunahme der Ausnahmeregelung dieser Fehler korrigiert wurde, ist demnach zu begrüßen.

Zu kritisieren ist hingegen die Entscheidung, den verbotenen Vertragsbedingungen nach § 23 ein allgemeines Umgehungsverbot hinzuzufügen. Derart unklare rechtliche Formulierungen führen zu einem hohen Maß an Rechtsunsicherheit und im Zweifel dazu, dass für alle Beteiligten sinnvolle vertragliche Regelungen aus Angst vor behördlichen Sanktionen vermieden werden.

Auch bemängelt der MITTELSTANDSVERBUND das Fehlen einer klaren Linie durch die Entscheidung, Agrarorganisationen vom Verbot der Kostenbeteiligung an der Lagerung von Lebensmitteln zu befreien. Das Hauptziel von Agrarorganisationen und Agrargenossenschaften besteht darin, die Produktivität und Rentabilität der teilnehmenden Betriebe zu steigern, um höhere Skaleneffekte zu erzielen und damit ihre Verhandlungsposition gegenüber nachgelagerten Teilnehmern der Wertschöpfungskette zu verbessern. Eine pauschale Freistellung der Agrarorganisationen von dem Verbot bedeutet daher nicht nur einen Eingriff in die Wettbewerbsbedingungen, sondern konterkariert auch Ziel und Zweck der UTP-Richtlinie, die den Missbrauch von Marktmacht im asymmetrischen Verhältnis zwischen Anbieter und Abnehmer verhindern will.

Fragwürdig ist auch der Zeitpunkt der Abstimmung über das Gesetz:
Erst am Montag zuvor veröffentlichte die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Umweltschutz eingesetzte Monopolkommission ihr diesjähriges Hauptgutachten. Hierin warnt sie vor einer weiteren Ausweitung wettbewerbsregulatorischer Maßnahmen im Rahmen des AgrarOLkG.

Zwar gäbe es Indizien für Marktmacht der Industrie und des Handels im Lebensmittelsektor, allerdings könnten diese auch durch veränderte Produktions- und Nachfragestrukturen bedingt sein. Eingriffe in den Markt ohne genauere Kenntnis der Datenlage bergen jedoch stets das Risiko, Wettbewerbsverzerrungen hervorzurufen – auch zulasten der Marktteilnehmer, die eigentlich geschützt werden sollen.

Dr. Marc Zgaga, Geschäftsführer DER MITTELSTANDSVERBUND, kritisiert die Verschärfung des Gesetzes deshalb als wettbewerbspolitischen Aktionismus: „Eingriffe in den Wettbewerb und in die Vertragsfreiheit von Unternehmen laufen immer Gefahr, sich negativ auf Endpreise und damit auch zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher auszuwirken." Gerade aufgrund der hohen Lebensmittelkosten der vergangenen Jahre warnt er deshalb: „Wenn die Bundesregierung mit Kanonen auf Spatzen schießt, ist am Ende niemandem geholfen - auch nichtden Landwirtinnen undLandwirten.“ 

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