Unlautere Handelspraktiken: Evaluationsbericht der Europäischen Kommission
Seit 2019 gelten bei dem Bezug von Lebensmitteln schärfere Regeln für die Beschaffung. Nunmehr veröffentlichte die Europäische Kommission ihren Bericht über die Umsetzung der Richtlinien über unlautere Handelspraktiken. Was sind die Erkenntnisse und Folgerungen der Kommission? DER MITTELSTANDSVERBUND klärt auf.
Brüssel, 30.04.2024 – Am 23. April 2024 hat die Europäische Kommission ihren lang erwarteten Bericht über die Umsetzung der Richtlinie über unlautere Handelspraktiken (UTP-Richtlinie) in der Lebensmittelversorgungskette veröffentlicht. Ergänzt wird dieser Bericht durch eine Arbeitsunterlage der Kommission (nur in englischer Sprache verfügbar) mit detaillierteren Informationen.
Die UTP-Richtlinie wurde 2019 angenommen und ist im November 2021 in Kraft getreten. Sie enthält eine schwarze Liste der (bedingungslos) verbotenen Handelspraktiken und eine graue Liste der (bedingt) verbotenen Handelspraktiken – Letztere sind verboten, sofern sie nicht zuvor klar und eindeutig vereinbart wurden.
DER MITTELSTANDSVERBUND hatte das Gesetzesvorhaben und dessen Umsetzung in deutsches Recht kritisch begleitet: Auch wenn mit der Richtlinie zur Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken ein relativ ausgewogener Ansatz gewählt wurde, stellen die neuen Regeln dennoch einen massiven Eingriff in die unternehmerische Vertragsfreiheit dar. Jede Änderung zugunsten einer Vertragspartei zieht tiefgreifende Konsequenzen der Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien nach sich. DER MITTELSTANDSVERBUND mahnte daher zu Vorsicht, um unabwägbare negative Folgen auf beiden Seiten zu verhindern.
Mit der nunmehr veröffentlichten Evaluation stellt die Europäische Kommission zunächst den Umsetzungsstand in den Mitgliedstaaten dar. Wichtigste Ergebnisse, die aus dem Bericht zur Umsetzung der UTP-Richtlinie hervorgehen:
- Die meisten Mitgliedstaaten haben das Schutzniveau erhöht:
- Die meisten Mitgliedstaaten haben die Liste der verbotenen unlauteren Praktiken erweitert und/oder die Verbote verschärft (indem sie z.B. aus „grauen“ Praktiken „schwarze“ Praktiken gemacht haben).
- Vier Mitgliedstaaten (ES, HR, HU, IT) haben eine Bestimmung über „Verkäufe oder Käufe unter den Produktionskosten“, drei Mitgliedstaaten (ES, HU, RO) eine Bestimmung zu „Weiterverkäufen mit Verlust“ und zwei Mitgliedstaaten (ES, IT) eine weitere Verpflichtung zur Einhaltung eines bestimmten Preisniveaus eingeführt.
- Die meisten Mitgliedstaaten haben unterschiedliche Schwellen für den Anwendungsbereich eingeführt, darunter sechs Mitgliedstaaten, die die Richtlinie unabhängig von der Unternehmensgröße der Lieferanten oder Käufer anwenden.
- Ein Mitgliedstaat (ES) hat den Anwendungsbereich zum Schutz der Käufer erweitert.
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- In allen EU-Mitgliedstaaten wurden Durchsetzungsbehörden ernannt.
- Im Jahr 2023 wurden etwa 1.500 Untersuchungen eingeleitet, von denen ca. 17 % einen Verstoß nachweisen konnten und Sanktionen nach sich zogen.
- Rund 41 % der nachgewiesenen unlauteren Handelspraktiken wurden auf der Einzelhandelsebene (47 % im Jahr 2022), 36 % auf der Verarbeitungsebene (27 % im Jahr 2022) und 22 % auf der Großhandelsebene (25 % im Jahr 2022) festgestellt.
- Die am häufigsten festgestellten unlauteren Handelspraktiken waren verspätete Zahlungen für verderbliche oder nicht verderbliche Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse (50 % bzw. 13 %), Zahlungen, die nicht mit einem konkreten Geschäftsvorgang im Zusammenhang standen (7 %) und Zahlungen, die vom Lieferanten für Marketingmaßnahmen (7 %) sowie für die Lagerung, Platzierung und Listung (7 %) verlangt wurden.
Die Europäische Kommission nimmt die Ergebnisse der Evaluation zur Grundlage weiterer politischen Überlegungen. Insbesondere wird eine weitere Studie zu Einkaufsallianzen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette in Auftrag gegeben, welche besonderes Augenmerk auf die Rolle und Auswirkungen von Einkaufsallianzen auf vorgelagerte Akteure wie Landwirte legen soll.
Zudem plant die Europäische Kommission einen Vorschlag über die grenzüberschreitende Durchsetzung der UTP-Richtlinie. Mitte 2025 wird die Kommission eine Bewertung der UTP-Richtlinie zusammen mit einem Vorschlag für eine Überarbeitung der Richtlinie veröffentlichen.
Mit Blick auf die Ergebnisse des Berichtes stellt DER MITTELSTANDSVERBUND insbesondere die unterschiedliche Umsetzung in den Mitgliedstaaten fest. „Es zeigt sich, dass der Ansatz einer Minimal-Harmonisierung zu einer weiteren Aufteilung des Binnenmarkts geführt hat.“, meint daher auch Tim Geier, Geschäftsführer Büro Brüssel, DER MITTELSTANDSVERBUND. „Die unterschiedlichen Regeln verschärfen die Teilung des Binnenmarkts und erschweren den grenzüberschreitenden Handel. Richtig wäre nunmehr eine Prüfung, inwiefern die geltenden Regeln tatsächlich zu Verbesserungen entlang der Lieferkette geführt haben und der gewählte Regelungsansatz der richtige Weg war.“ so Geier weiter.